■ SPD-Parteitag: Lafontaines Rede bringt Schröder in die Bredouille
: Warm anziehen

Als er vor zwei Jahren zum Parteivorsitzenden gekürt wurde, drohte Oskar Lafontaine: „Zieht euch warm an, wir kommen wieder!“ Zwei Jahre später in Hannover kann er sich freuen: „Wir sind wieder da.“ Und nach seiner gestrigen Rede auf dem Parteitag läßt sich erwidern: Er ist ganz der alte. Er wußte klar das sozialdemokratische Gute vom konservativen Bösen zu trennen, hat eine klare Scheidelinie zur Regierungspolitik gezogen und damit seiner Partei das Gefühl programmatischer Identität vermittelt. Es wurde ihm mit tosendem Applaus gedankt.

Nur, ist das bereits ein Grund, sich warm anzuziehen? Für die Koalition weit weniger als für Gerhard Schröder. Denn Lafontaine hat eine wirtschaftspolitische Vorgabe geliefert, in der sich dessen Positionen nur zum Teil wiederfinden. Seine Rede war getragen von einem Duktus, der den Botschaften des Niedersachsen geradezu zuwiderläuft. Ausbildungsplatzabgabe, Lohnsteigerungen, Hinwendung zu einer nachfrageorientierten Politik, ein gut ausgestatteter Staat – das wären unter normalen Bedingungen Positionen, über die ein Parteitag trefflich streiten könnte. Doch die beiden sind Kontrahenten, und die Rede ist ein Bauer im verdeckten Schachspiel, das sie um die Kanzlerkandidatur führen.

Lafontaine hat mit seiner Rede Schröder in einen mißlichen Zugzwang gebracht. Will der sein wirtschaftspolitisch begründetes Profil wahren, muß er in seiner Rede am Donnerstag mit einigen liebgewonnenen sozialdemokratischen Illusionen aufräumen, die sich auch in Lafontaines Rede fanden. Das dürfte ihn, der um die Gunst seiner Partei in dem Maße ringen muß, wie sie ihm bei den Wählerumfragen zuströmt, einige Zustimmung unter den Delegierten kosten. Will er diesen Preis nicht zahlen, hegt er also den für den Parteitag schon vorab geforderten Konsens, muß er mit der Beschädigung seines Images als populärer Modernisierer büßen. Und das dürfte dauerhaft seine Aussichten schmälern.

Auf dem CDU-Bundesparteitag im Oktober nutzte der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble eine konservative Rede seines Parteivorsitzenden als Folie, auf deren Hintergrund er sich seiner Partei mit zukunftstauglichen Rezepten andiente. Kohl quittierte diese Vorstellung mit Schäubles informeller Inthronisierung. Schröder dürfte ähnliches nicht beschieden sein. Allerdings wird man an seiner morgigen Rede ermessen können, ob er gegenüber Schäuble ein ebenbürtiger Konkurrent wäre. Und darauf kommt es letztendlich an. Dieter Rulff