Streik muß weh tun

■ Die Aktionen der Studenten werden radikaler

Wenn StudentInnen streiken, ist es so, als wenn ein Rentner seine Rente nicht abholt. Solche altlinken Sprüche kommen bei den Studentenprotestlern 1997 nicht gut an. Sie machten lieber Aktionen und hätten keine Lust, über Begriffe wie Streik zu diskutieren, heißt es schnell. Trotzdem: Kleine Papier-Eurofighter in der U-Bahn zu verkaufen ist eine witzige Sache. Auch Vorlesungen auf der Straße abzuhalten hat einen öffentlichkeitswirksamen Effekt. Aber dies und was da sonst noch aktiver Streik genannt wird, hat mit einem Streik im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Ein Streik legt Produktionsmittel lahm, um den Kapitalisten an den Tisch zu zwingen. Ein Streik muß weh tun. Ist er nur lustig und bunt, bewirkt er nichts.

Das haben die mit Solidaritätsadressen überhäuften Studierenden gemerkt. Daher radikalisieren sie sich. Sie blockieren Autobahnen. Sie sperren Professoren und Verwaltungsleute von den Instituten aus oder strecken den nackten Hintern in die eiskalte Winterluft: Das tut weh. Aber es ist wichtig, um ein eigenes Profil zu entwickeln. Die politische Kraft dieser Protestbewegung wird sich erst in der Differenz entwickeln können. Ginge es so weiter wie bisher, bliesen die StudentInnen doch nur Wind in die Segel jener, die solidarisch tun, aber ganz anderes wollen: Der Bildungsminister will sich als Macher profilieren; die Rektoren wollen vor allem mehr Geld; Herr Schiedermair vom Hochschulverband will die professoralen Pfründen retten; die Wirtschaft will widerspruchsfreie Arbeitskräfte.

Sich von diesen falschen Freunden zu „entsolidarisieren“, wie es die Bochumer KommilitonInnen nennen, ist ein wichtiger Schritt. Weite Teile der Medien und der Gesellschaft werden nackte Ärsche und Patientennotdienste in der Zahnmedizin (dem beinahe einzigen Ort der Uni, wo die Studierenden „produzieren“) nicht gut finden. Auch der Studierendenschaft steht Streit ins Haus – die große Gruppe der Reformisten mit den Radikalen. Aus diesem Dilemma gibt es fast keinen Ausweg. Denn Politik „is not a cocktail party“. Freilich birgt gerade die Fraktionsbildung in studentische Uni-Reformer und in die aufs gesellschaftliche Ganze zielenden Radikalen eine Chance. Je mehr Schmerzen Radikale bereiten, desto besser wird die Verhandlungsposition der Reformer. Getrennt marschieren, vereint zuschlagen, heißt das wohl. Christian Füller

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