Gegen den Rest der Welt

■ Morrissey und Edwyn Collins sind radikale Individualisten und Prototypen des Britpop

Die Veteranen des Britpop revisited. In den trüben Achtzigern waren es Edwyn Collins mit Orange Juice und Morrissey mit den Smiths, die Glasgow und Manchester zu den entscheidenden Schauplätzen der Popmusik machten. Collins war dabei der juvenile und smarte Soul Man, dem Schmalztolle, Sonnenbrille und enge Hosen genauso viel galten wie die scharf konturierten Songs auf dem Meisterwerk „You Can't Hide Your Love Forever“. Morrissey dagegen war der Heros der Wimps, ein androgyner Dandy, dem auf der Bühne die Rosen aus der Arschtasche hingen und der garantiert auf jedem Foto beiläufig einen Oscar-Wilde-Band mit sich trug.

Dann wendete sich das Schicksal der beiden dramatisch: Die Smiths brachen 1987 auseinander, ebenso Orange Juice. Collins fand sich plötzlich als Heimwerker mit Low-Budget-Produktionen wieder, Morrissey nannte seinen Solo-Einstand gleich „Viva Hate!“. Doch ohne den kongenialen Gitarristen Johnny Marr fehlten die Songs – an Texten indes mangelte es nicht.

Auf neun eher ungeliebten Alben setzte Morrissey Jahr für Jahr seinen Weg ins Abseits fort; verweigerte Interviews und zog nach Spanien; ließ verlauten, er bevorzuge die Gesellschaft von Tieren und habe keinerlei Interesse an Angelegenheiten des modernen Lebens. Seine gern herausgestellte Ungeschlechtlichkeit belegte er mit unsagbar eitlen, präzise formulierten Einlassungen zur britischen Art von Teebereitung.

Derweil passierte Edwyn Collins 1994 ein Glücksfall: Erst wollte keiner sein Album Gorgeous George veröffentlichen, dann war die Single-Auskopplung „A Girl Like You“plötzlich ein Sommerhit. Von den Auswüchsen der permanenten Präsenz hat sich der Spätjugendliche, der modisch immer noch in der ersten Reihe tanzt, gut erholt. Auf dem neuen Langspielwerk I'm Not Following You sagt er zweierlei. Erstens: Ich werde nie wie ihr sein, und ich will in keiner Adidas-Welt leben. Zweitens: Ich komme aus den Siebzigern, und damals war alles schöner. Die üblichen Erkenntnisse des Enddreißigers also. Doch so rührend wie in „Running Away With Myself“und „Seventies Night“– in dem ein anderer Veteran, Mark E. Smith, frohgemut „So many things to do“nölt – gelingt Nostalgie selten. Edwyn Collins produziert und finanziert das alles selbst. Wenn er fehlgeht, ist er immerhin selbst schuld. Daß er dem Rest der Welt nicht recht vertrauen kann, ist für ihn eher Ansporn denn Anlaß zur Klage.

Und da schließt sich der Kreis zwischen den beiden Britpop-Prototypen – denn wer wäre solipsistischer als Morrissey? Fast eine Sensation, daß er noch mal eine Tournee unternimmt, wo er doch sonst nicht einmal ausgeht. Mit dem Album Maladjusted ist ihm in diesem Jahr das beste Solo-Album seiner Karriere gelungen. Endlich wieder Melodien! „Sorry Will Come In The End“ist die Rache an der britschen Justiz, die der ehemaligen Smiths-Rhythmus-Sektion nachträglich eine Million Pfund zugesprochen hat. „The Court of Justice has no use for truth“, zürnt Morrissey, „so never ever close your eyes.“Die Drohung wurde vernommen, der Song in England inkriminiert. Ein Grund mehr, sehr beleidigt zu sein, zumal die britische Pop-Presse keine größere Haßliebe kennt als die für Morrissey, der von dem allmächtigen Weekly New Musical Express schon mal als „fat bastard“gekost wird.

Aber der alte Spinner ringt noch jedem Ehrfurcht ab. Seit Schopenhauer ist er der berühmteste Eigenbrötler mit Hund.

Arne Willander

Morrissey: Mo, 8. Dezember, 20 Uhr, Große Freiheit.

Edwyn Collins: Mi, 10. Dezember, 21 Uhr, Markthalle