Keine Lokomotivführer, keine Züge

■ „Ungeduld und Zorn“: Hamburgs Eisenbahner befürchten massiven Stellenabbau durch die „Innere Bahnreform“

Unter den LokführerInnen im Norden rumort es. Auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung wollen sie heute in Hamburg die Auswirkungen der geplanten zweiten Stufe der „Bahnreform“erörtern. „Unsere Lokomotivführer“, sagt Werner Rehse, Hamburgs Betriebsratschef vom Bereich „Traktion“, „werden sich diesen Stellenabbau nicht gefallen lassen.“Die Stimmung sei „geprägt von Ungeduld und Zorn“.

Allein im nächsten Jahr, so Robert Höppner, Sprecher der berufsständischen Hamburger Lokomotivführer-Gewerkschaft, sollen allein in ihrem Zuständigkeitsbereich 90 Arbeitsplätze abgebaut werden. „Außerdem sollen 600 Stellen in anderen Bereichen durch Streckenstillegungen entfallen.“Die Maßnahmen seien Bestandteil der sogenannten „Inneren Bahnreform“. Die sehe vor, bis zum Jahr 2002 bundesweit 68.000 Arbeitsplätze zu streichen, davon 6000 Stellen auf den Führerständen der schweren Diesel- und E-Loks.

Eine Frankfurter Bahnsprecherin mochte „diese Zahlen nicht bestätigten“. Es gebe zwar einen „Personalüberhang“, betriebsbedingte Kündigungen seien dennoch nicht vorgesehen. Jetzt sei es Aufgabe der Bundesländer, ihre Bedürfnisse beim Nahververkehr zu definieren, damit die Bahn entsprechend „disponieren“könne. „Wir wollen ja immer mehr Verkehr auf die Schiene verlegen.“

Doch daran zweifeln die Lokführer. Gewerkschafter Höppner vermutet, die Bahn habe längst ihr im Zusammenhang mit der Privatisierung propagiertes Ziel der Verkehrsverlagerung auf die Schiene aufgegeben. Sein Fazit: „Wenn keine Lokführer mehr da sind, sind auch keine Züge da.“

In die gleiche Kerbe schlägt auch die Eisenbahnergewerkschaft (GdED). Deren Sprecher Reinhard Sauer räumt ein, daß es vor allem in der Hand der Bundesländer liege, „wieviel Nahverkehr gefodert wird und wieviel Züge fahren“. Jedoch: „Allein um den Überstundenberg abzubauen, müßten schon heute 1000 Lokführer eingestellt werden.“Statt dessen hätte die 1994 eingeleitete erste Stufe der „Bahnreform“bereits 124.126 Arbeitsplätze gekostet.

„Angst“herrscht laut Robert Höppner auch bei jungen Kollegen. Denn während in der Vergangenheit der Personalabbau noch durch „sozialverträgliche“Vorruhestandsregelungen kompensiert werden konnte, geht es jetzt allen an den Kragen. Höppner: „Das sind alles junge Lokführer. Wir haben schon keine alten mehr.“

Kai von Appen