Haltbar wie Herta-Salami

■ Kölner Saxophon Mafia: gute alte Bekannte bei „dacapo“

Nein. Auch die fünf Buben gebliebenen Herren der Kölner Saxophon Mafia nutzten nicht die Gunst des Orts. Auch sie erkrochen nicht von den Eingeborenenhütten des Übersee-Museums aus die Bühne. Dabei hätte es ihren stilvoll vergammelten mafiotischen Anzügen kaum geschadet. Und dennoch gibt es im Jazz kaum eine Formation, wo die Parameter Rhythmus und Harmonie derart konsequent in perfekter gegenseitiger Abstimmung entstehen. Weit entfernt ist jene klassische Aufgabenteilung, wo Rhythmus und Harmonie je einem Instrument überantwortet werden, die Restmusiker diversen Melodielinien entlang kurven.

Spätestens seit die Mafia ihr Zehnjähriges feierte – immerhin auch schon sechs Jahre her – folgt auf jedes „Hey, die Mafia spielt wieder in Bremen!“ein „Leben die immer noch!?“Ob die musikalischen Verknotungen biographische zur Folge haben? Egal. Jedenfalls sollte man die Mafia lieben – auch als Metapher für Dauerhaftigkeit.

Rhythmus entsteht bei der Mafia durch Verzahnung. Der eine liefert zum Beispiel Schlag eins, gibt auf Schlag zwei und drei seine Ruhe, schnörkselt dafür aber eine Triole zwischen drei und vier hinein. Ein weiterer liefert die ganzen „Unds“. So ist Rhythmus eine Überlagerung verschiedener Subrhythmen. Manchmal schwingen die auch noch in unterschiedlichen Takten. Das merkt man daran, daß sich tiefe Konzentrationsfalten auf den Stirnen der Musiker abzeichnen und ihre Füße alles andere als synchron wippen. Diese Musik ist komplex und dennoch höchst eingängig – oft mit fatalen Folgen: Eigene Mitwippversuche nämlich enden nach einigen unbeholfenen Nachkorrekturen in geistiger Verwirrung.

Weil die Mafia ihre Zuhörer mit Recht für begriffsstutzig halten darf, veranschaulicht sie musikalische Struktur durch die Plazierung der Musiker: 2+3 oder 2+2+1. Und wenn sich alle im Kreis aufstellen, stürmt das Chaos los.

Manchmal geht das Additions-Prinzip der Mafia dacors mit der amerikanischen Minimal music. Da wird ein Intervall in den Raum gestellt – gebrummt, schließlich tönt das Baßsaxophon, ein Hm und ein Ta. Das wird wiederholt, dann kommen zwei neue Töne hinzu, dann ein fünfter, und schon sind wir in einem ungeraden Takt. Einer der – mittlerweile vertrauten Töne – verrutscht ein wenig. Dieses Entwickeln aus kleinen Bausteinen ist natürlich ein wunderbarer Affront gegen die sinnlos-willkürlichen Endlosgirlanden des klassischen Jazz. Deshalb eignet sich die Mafia auch glänzend für endlose Gespräche darüber, ob sie Jazz macht.

Um ihr musikalisches Wohl muß man sich nicht sorgen, wohl aber ums psychische. Die neue CD heißt „Place for lovers“. Wenn es um Seitensprünge geht, wird die Musik müde, schräg und schlurfig, wenn perfekte Liebe sich in Tönen materialisiert, setzt ein Stakkatogewitter ein, und nur der Gruppensex mit einer Bahnhofshure stimmt die Musiker harmonisch-sentimental, uns aber bedenklich. Barbara Kern