Ohne Schweizer Offiziersmesser

■ Oder warum die drei Sportkameraden Rodman, Rourke und Van Damme bei Tsui Harks US-Debüt „Double Team“ anheuerten

Ein Blick auf die Besetzungsliste von „Double Team“, und man fragt sich unweigerlich: Haufenweise Spitzensportler, aber wo sind die Schauspieler? Kopfzerbrechen schafft so hauptsächlich die Frage, wer von den drei Hauptdarstellern denn nun der bessere Sportler ist: der Karatekämpfer Jean-Claude Van Damme, der Boxer Mickey Rourke oder der Basketballer Dennis Rodman?

Das andere ist einfach: Der einzige gute Schauspieler ist natürlich Rodman, denn er darf ziemlich exakt dieselbe Rolle spielen, die er als Dennis Rodman auch sonst gibt – genauso bunt, gepierct und respektlos wie im richtigen Leben, mit mindestens fünf verschiedenen Frisuren, jedoch ohne Fummel, kurz: „eine Möhre mit Ohrringen“, wie es im Film heißt.

Einfach ist auch die Geschichte erzählt: Mittelschweres Bumm- Paff; Spezialagent setzt sich nach einem letzten Auftrag zur Ruhe; Pool-Plätschern/Frauenschwängern; Spezialagent wird gezwungen, noch einmal gegen internationalen Superterroristen vorzugehen, schon zackerigeres Bumm- Paff; Spezialagent findet sich als tot erklärt in einem schwer geheimen internationalen Brain-Trust wieder und seine Frau in den Fängen des Bösewichts; halsbrecherische Flucht mit relativ wenig Bumm- Paff; und dann so lange, so viel und so großes Bumm-Paff, bis ein paar römische Kulturdenkmäler inklusive Mickey Rourke in die Luft fliegen. Nichts gegen Bumm-Paff, aber hier beginnt das Wettrennen, das sich die Produktionsfirmen um die schicksten Spezialeffekte und donnernsten Explosionen liefern, zu kollabieren. Die Überführung von Hongkong-Regisseuren in den goldenen Westen mag dem Genre kurzfristig gutgetan haben, hat es aber auch ganz fix an die eigenen Grenzen stoßen lassen.

Hier versucht Tsui Hark in die Fußstapfen seiner Landsleute John Woo und Ringo Lam zu treten. Kein schlechte Wahl, denkt man, hat der Mann mit „A Chinese Ghost Story“ oder „Peking Opera Blues“ nicht nur dem Eastern Blutauffrischung verschafft, sondern auch bewiesen, daß er virtuos mit den Stilen umzugehen versteht und in der Lage ist, die sich widersprechenden Versatzstücke bruchlos zu verbinden. Aber hier wirken die Zitate aus James-Bond-Filmen, Tsuis eigenen Kung-Fu-Streifen und den von Tsui produzierten Woo-Filmen unelegant. Ebenso tut sich Tsui schwer, die simplen Spielregeln des Action-Kinos auszuhebeln. Zwar versucht er wie Woo die Rituale zu übersteigern, aber bei ihm kippt der Versuch ins Lächerliche, spätestens dann, als sich Van Damme den eigenen Fingerabdruck vom Daumen schabt und ihn auf einen Radiergummi pappt. Bei Woo wäre aus Van Damme ein von sich selbst berauschter James Bond geworden, einen kurzen Tick vorm Amoklaufen und Augenzwinkern inklusive. Bei Tsui wird's nur ein McGyver. Und auch noch ohne Schweizer Offiziersmesser.

Manchmal wird der Film nur noch chaotisch. Als würden zwei Seiten im Drehbuch fehlen. Dann ist „Double Team“ am besten. Wahrscheinlich kann man sich als Hongkong-Exilant die Arbeit nicht aussuchen. Einfacher ist da geklärt, was die drei Sportkameraden dazu trieb, hier mitzutun. Rourke braucht jede Mark. Rodman denkt darüber nach, was nach der NBA-Karriere kommen mag. Und Van Damme? Der hat nur eine Strichliste im Kopf und in dieser Reihenfolge bei Woo, Lam und Tsui in deren eher enttäuschenden ersten US-Produktionen mitgewirkt. Auch rekordverdächtig. Thomas Winkler

„Double Team“. Regie: Tsui Hark. Mit Jean-Claude Van Damme, Mickey Rourke, Dennis Rodman, Natacha Lindinger. USA 1997, 93 Min.