Die Seele verkaufen – aber weiter über sie bestimmen

■ Wie der Fußball-Weltverband Fifa mit Hilfe des Mediums Fernsehens die Welt erobern will

Berlin (taz) – Drohungen allenthalben. In Marseille werden heute die WM-Gruppen ausgelost (18.55 Uhr, ARD). Hilfe: „Uns droht England!“ meldete Bild gestern völlig aufgelöst. Der Auslosung droht auch etwas: der Mistral, der heute über das Stadio Velodrome brausen soll. Den kann man nun wirklich als letztes brauchen. Schließlich geht es darum, bereits die eher profane Prozedur des Loseziehens zu erhöhen zu einem Ereignis säkularen Ausmaßes.

Was bereits 1994 in den USA erfolgreich wie nie durchexerziert wurde, soll auch heuer wieder funktionieren: Der Fußball-Weltverband Fifa will in Kooperation mit dem Fernsehen seinen Sport als Unterhaltungsereignis zelebrieren, auf das die Gesellschaft nicht mehr glaubt, verzichten zu können – auch nicht im entlegensten Winkel der Welt.

33 Tage wird das WM-Spektakel dauern, so lange wie nie. 32 Verbände dürfen mitmachen, soviel wie nie. Es ist dies, sagt Fifa- Generalsekretär Joseph Blatter, „die logische Folge der Expansion der Fußballbewegung“. 200 Millionen spielen weltweit unter dem Oberkommando des Weltverbandes Fußball, 198 Mitglieder zählt der Verband. Mit dem Nachzügler Italien hat die Fifa alle wichtigen, etablierten Märkte nach Frankreich gebracht. Außer Australien, das in letzter Sekunde gescheitert ist, sind auch die neuen vertreten (USA, Japan, Süd-Korea).

Wer die Fifa eigentlich ist, darüber wird gern gestritten. Alle wichtigen Entscheidungen trifft qua Statuten das Exekutiv-Komitee. Dieses besteht aus dem Präsidenten, sieben Vizepräsidenten und 16 Mitgliedern. Die größte Fraktion in diesem Gremium stellt die Europäische Fußballunion (Uefa) mit zwei Vizes und fünf Mitgliedern, darunter den Stuttgarter Kirch-Freund Gerhard Mayer-Vorfelder – dennoch stellt sie gegen den Rest der Welt eine Minderheit dar. Für die Bearbeitung der Fernsehverträge hat man zudem eine fünfköpfige Finanzkommission berufen.

Die Exekutive habe gestern die Verträge einstimmig akzeptiert, sagten Präsident João Havelange (81) und sein Generalsekretär Joseph Blatter. Es gibt manchen Grund anzunehmen, daß in Exekutive und Kommission vornehmlich das akzeptiert wird, was die beiden sagen. Lennart Johansson zum Beispiel ist Uefa-Präsident und bisher einziger Kandidat auf die Havelange-Nachfolge im nächsten Jahr. Dennoch gehört er zu denen, die sich gestern erst mal Aufschlüsse über den Inhalt der Fernsehverträge erhoffen mußten – obwohl er als Exekutivmitglied die Verantwortung dafür hat.

Havelange wird es darum gehen, seine Dinge zu regeln, solange Zeit ist. Der Schweizer Blatter (61) aber ist der Mann, der in der Fifa- Residenz am Hitzigweg in Zürich sitzt – und die Firma managt. Blatter glaubt einerseits fest daran, daß es eine Zukunft ohne Digitalfernsehen nicht geben wird. Andererseits beruht der Erfolg des Unternehmens darauf, eine WM „so weit verbreitet wie möglich zu zeigen“ (Blatter). Gestern sagte der Generalsekretär also erneut, die Fifa könne gegenüber dem Geschäftspartner Kirch „vertragsgemäß die Kontrolle ausüben“. An diesem Kunststück allerdings sind schon andere gescheitert: Die Seele zwar verkauft zu haben, aber weiter bestimmen zu wollen, was mit ihr zu geschehen hat. Peter Unfried