Schunkeleien mit Knicks

■ „Seemann, laß das Träumen“: Wilhelm Wieben in der Mission

Ungefähr um 20 Uhr fing das Programm allmählich an. Seemann, laß das Träumen..., bat die Mission des Schauspielhauses die anwesenden Herren und – sehr wenigen – Damen ohne und mit festem Wohnsitz um Gehör für „musikalische Nachrichten aus dem Matrosenleben“. Mit Tagesschausprecher Wilhelm Wieben war ein Gast eingeladen, zu dessen Handwerkszeug normalerweise der Sekundenzeiger und ein Gong um 20 Uhr gehören. Am Mittwoch aber blieben die Uhren draußen, zusammen mit der Kälte.

Das Unexakte und die Improvisation zählen neben anderen zu den Stärken der Mission, denn sie bedeuten den Verzicht auf streßbedingte schlechte Laune und das Vorsortieren der Welt in Haupt- und Nebensächlichkeiten. Seemannslieder, heiße Suppe, Mikrophon und Weihnachtsgeschichten, Brote und Hagebuttentee – das alles gab es zu gleichen Teilen umsonst und vor allem drinnen.

Zu Beginn mußten sich deswegen Wilhelm Wieben und die Mitglieder des Schauspielhausensembles die Aufmerksamkeit noch mit dem Raum teilen. Nach kurzer Zeit aber war die Skatrunde vorbei, die Zeitung wurde zusammengefaltet und die Bühne rutschte in den Mittelpunkt des Geschehens. Das Programm war gut gemischt: Lieder zum Zuhören und Mitsingen, Geschichten auf Platt- und Hochdeutsch und Matrosenromantik. Marilyn Monroe und Elvis kamen in die Parodie-Mangel, vor Heinrich Heine gab es dagegen einen Geburtstagsknicks. Und für Wilhelm Wieben unerwarteten Szenenapplaus. Gerade, als er das schönste deutsche Lied ankündigen wollte, ließ sich von draußen eines der schrecklichsten internationalen Geräusche vernehmen: die Polizeisirene. Wieben meinte dann aber doch die Loreley.

Das Plattdeutsch verursachte keine Verständnisprobleme; schlechter war es jedoch um die Seetüchtigkeit des Publikums bestellt. Der einzige Matrose, der sich zu einem Auftritt bereitfand, mußte wegen Peinlichkeit von der Bühne wegapplaudiert werden. Echten Beifall bekamen dagegen Wilhelm Wieben und die unechten Uniformierten: Wachtmeister Peter Brombacher und Clemens Sienknecht, der Franz Wittenbrink am Klavier ablöste, Käptn Matthias Wibald und die Jungmatrosen Bettina Engelhardt und Catrin Striebeck. „Ganz gut für nicht geübt“, meinte eine Zuschauerin am Schluß. Da war es ungefähr kurz vor zehn. Kein Wetterbericht und die Mission muß schließen. Barbora Paluskova