Nachgefragt
: Uni normalisiert

■ Hanjo Steinberg, Sozialhistoriker und früherer Uni-Rektor, wird verabschiedet

Heute wird der frühere Rektor der Bremer Universität, Prof. Hans-Joachim Steinberg, mit einem Colloquium zur Sozialgeschichte verabschiedet. Wir nahmen den Festakt zum Anlaß für ein paar Nachfragen.

taz: Was lernen wir aus der Sozialgeschichte?

Hanjo Steinberg: Kommen Sie doch zu dem Vortrag von Prof. Tenfelde zu dieser Frage.

Ihre Antwort, ganz kurz?

Das geht nicht ganz kurz. Es klingt vielleicht ein bißchen altertümlich, aber die Sozialgeschichte ist die Wissenschaft von der Gesellschaft in der Vergangenheit. Alle Disziplinen sind in diesem Sinne Unterabteilungen der Sozialgeschichte.

Sie haben als Rektor Bremer Uni-Geschichte gemacht...

Naja ...

... versucht zu machen.

Und Sie haben damals eine der ersten Sponti-Versammlungen gemacht ...

Sie haben vor dem versammelten Akademischen Senat angedroht, mir eins in die Fresse zu hauen.

Wenn ich das gesagt habe, hat das bestimmt seine Berechtigung gehabt.

Ist von dem, was Sie damals wollten als Uni-Politik, etwas übrig geblieben?

Mir kam es damals darauf an, die Universität in einem guten Sinne zu normalisieren. Die Uni mußte raus aus der Presse. Die Uni war in Gefahr von ultralinks und von rechts.

Inzwischen ist die Uni total normal ...

Ich wollte, daß in den Prüfungen, in Forschung und Lehre ein Niveau erreicht wird, das den internationalen Standards entspricht. Ich wollte gleichzeitig unbedingt die Drittelparität erhalten, das war für mich eine der größten Errungenschaften der modernen Universitätsgeschichte: Alle sollten in dem Prozeß von Wissenschaft und Lehre gleichberechtigt sein. Ich bin immer belacht worden wegen der „Putzfrau in der Berufungskommission“. Ich kann Ihnen sagen, manche ÖTV-Putzfrau, in Anführungsstrichen, war in der Berufungskommission viel besser vorbereitet als mancher, der da einen akademischen Grad hatte. Das ist mir nicht gelungen. Das Hochschulrahmengesetz hat, leider mit Zustimmung von Hans Koschnick als Präsident des Senats, die Drittelparität verunmöglicht. Ich bin dann ein Jahr früher als nötig zurückgetreten. Ich wollte keine Uni leiten, in der die Professoren wieder die absolute Mehrheit haben.

Heute spielen die Sozial- und Geisteswissenschaften auch in Bremen nur eine Nebenrolle.

Das ist auch andernorts so. Aber ich habe darauf bestanden, daß meine Stelle für Sozialgeschichte im kommenden Jahr wieder besetzt wird.

Fragen: Klaus Wolschner

Freitag, 11 Uhr, Vortrag Prof. Klaus Tenfelde: Was lernen wir aus der Sozialgeschichte? und 14 Uhr Colloquium, Theatersaal der Universität