Sturm an die Oder

■ Berliner Antifa-Gruppen mobilisieren für morgige Demonstration in Frankfurt (Oder)

Der jüngste Vorfall ist datiert auf das erste November-Wochenende. Zwei polnische Studenten der Europa-Universität Viadrina werden im Stadtzentrum von Frankfurt (Oder) von rechtsradikalen Jugendlichen beschimpft, einer wird niedergeschlagen, muß mit einer Platzwunde am Hinterkopf ins Krankenhaus eingeliefert werden. Uni-Rektor Hans Weiler und Oberbürgermeister Wolfgang Pohl (parteilos) geben einen Tag später zu: Dieser Vorfall reiht sich ein in eine Serie von Überfällen auf Viadrina-Studenten. Eine afrikanische Studentin hatte nach nur drei Tagen ihren Uni-Sommerkurs abgebrochen und die Stadt verlassen, nachdem sie mehrfach von Rechten angepöbelt und angegriffen worden war. Polnische Mitarbeiter an der Universität denken an Wegzug, weil sie die Anfeindungen von rechten Jugendlichen nicht mehr ertragen können. An der Uni tauchen in regelmäßigen Abständen Handzettel mit Naziparolen auf.

Jetzt haben Antifa-Gruppen aus Berlin und aus Frankfurt (Oder) zu einer Demonstration aufgerufen: „Den Naziterror stoppen“. Anlaß sind nicht nur die jüngsten Überfälle. Mit Jörg Hähnel und André Werner haben die Jungen Nationaldemokraten zwei führende Mitglieder in Frankfurt (Oder) etabliert. Der grüne Stadtverordnete Peter Staffa schätzt den harten Kern der Rechtsradikalen in der Stadt auf 10 bis 15 Personen, hinzu komme „eine große Anzahl labiler Anhänger“. Hähnel hat sich in der rechten Szene nicht nur einen Namen als „vaterlandstreuer Liedermacher“ gemacht – „seine Texte sind nicht nur ein Lippenbekenntnis zu Volk und Nation“ –, Hähnel gilt auch als einer der Drahtzieher der Faschogruppe „Odersturm“. Erst Ende Oktober hatte der „Odersturm“ den vorwiegend von linken Jugendlichen besuchten Club „Lebenshaus“ überfallen. Besucher wurden mit Nazipropaganda belästigt; mit „Sieg Heil“-Rufen wurde sich verabschiedet.

Mittlerweile herrscht in Frankfurt (Oder) ein Konsens, der rechten Gewalt friedlich zu begegnen. Der Jugendhilfeausschuß der Stadt hat sich für die morgige Demonstration ausgesprochen – „nachdem klar war, daß Gewalt ausgeschlossen wird“, so PDSler Frank Hammer. Für zwischenzeitliche Verwirrung hatte ein Flugblatt Berliner Antifa-Gruppen gesorgt, auf dem zu lesen war: „Junge Nationaldemokraten angreifen“. Die örtlichen Antifa-Gruppen wollte sich davon zwar nicht distanzieren, vermieden aber diese Formulierung auf einem eigenen Flugblatt. Für die morgige Demonstration (14 Uhr) hat die Polizei verstärkte Sicherheitsmaßnahmen angekündigt. Jens Rübsam