Press-Schlag
: „So was kann passieren“

■ Bei Bayern München herrscht vor dem heutigen Spiel in Lautern seltsame Ruhe

Früher war alles ganz einfach. Bayerns Torhüter Oliver Kahn ging ab und zu auf seine Mitspieler los, wenn die allzu ungeschickt vor seinem Kasten herumstolperten und er den Ball deshalb häufig aus dem eigenen Netz holen mußte. Präsident Franz Beckenbauer zerrupfte seine Angestellten montags regelmäßig in seiner Bild- Kolumne und versäumte auch nicht, von seiner „Scheiß-Mannschaft“ zu sprechen. Die Folgen konnte man in Lothar Matthäus' Tagebuch nachlesen. Damals war die Ursachenforschung an der Säbener Straße noch leicht.

Und jetzt? 4:2 untergegangen, ausgerechnet in Leverkusen bei Christoph Daum. Macht nichts. „Letztes Jahr haben wir 5:2 verloren, diesmal nur 4:2“, analysierte Oliver Kahn. „Und 2000 holen wir unseren ersten Sieg in Leverkusen“, sagte er und fand das auch noch lustig. Selbst Manndecker Sammy Kuffour bezog von ihm keine Prügel, obwohl er Leverkusens Ulf Kirsten dreimal ungehindert sein Torkonto aufbessern ließ. „So was kann passieren“, sagt Kahn. Sagt er tatsächlich!

Auch Trainer Giovanni Trapattoni ist derzeit unantastbar. Daß er besser Markus Babbel statt Kuffour aufgestellt hätte und den schwachen Zickler nicht unbedingt für den wiedererstarkten Scholl einwechseln mußte, wollte außer den Medien niemand bemerken. Aber auch die verteilen an den deutschen Meister meist nur Streicheleinheiten. Was soll man davon halten?

Gut, die Bayern hatten sich nach der turbulenten vergangenen Saison vorgenommen, dem Fußballalltag etwas gelassener „Dann soll's Otto werden“: Bayer JanckerFoto: Reuters

zu begegnen. Aber geglaubt hat es ihnen eigentlich niemand. Spätestens nach der Partie am vergangenen Sonntag hegte die Nation die Hoffnung, daß es endlich wieder einen Störfall gebe.

Tabelle (neue/alte Regel):

1. Kaiserslautern39 (27:7)

2. Bayern München35 (25:9)

Falsch gedacht. „Wir haben am ersten und am letzten Spieltag verloren“, sagte Stürmer Giovane Elber, „mein Gott, das ist doch nicht so schlimm.“

Na ja, immerhin führt so Otto Rehhagel mit Kaiserslautern nach Abschluß der Vorrunde die Tabelle an. Wenn die Bayern ihre Rückrundenpartie heute (Premiere, 20 Uhr, live) am Betzenberg verlieren, haben die Pfälzer sieben Punkte Vorsprung. Doch daran will in München niemand glauben. Richtig ernst scheinen die Bayern das Team ihres Ex-Trainers selbst nach einer halben Saison noch nicht zu nehmen. „Wir haben die bessere Mannschaft und die besseren Einzelspieler“, sagt etwa Mario Basler, der wegen seiner Knieverletzung noch zuschauen muß. „Wir müssen dort einfach gewinnen.“

Nichts scheint die Einigkeit trüben zu können. Trapattoni hat es nach eineinhalb Jahren offenbar geschafft, eine funktionierende Hierarchie auf die Beine zu stellen. Matthäus kehrte nach seiner Verletzung ins Team zurück, obwohl es auch ohne ihn gut geklappt hatte. Keiner beschwerte sich. Kapitän Thomas Helmer und Torhüter Kahn sind ebenso gesetzt. Der Rest ist austauschbar wie im vergangenen Jahr. Doch das Motzen haben die meisten aufgegeben.

Ob das auch bei einer Niederlage in Kaiserslautern so bleibt? „Wir machen uns nicht verrückt“, sagt Mehmet Scholl. Sein Präsident ist gleicher Meinung. „Auch wenn wir in Lautern verlieren sollten, wäre das noch keine Titel-Entscheidung“, kann man in Franz Beckenbauers Halbzeitbilanz lesen. Und schlimmer: „Wenn wir nicht Meister werden, dann soll's der Otto werden.“ Nina Klöckner, München