EU gegen „Scheinehen“

■ Innen- und Justizminister beschließen Maßnahmen gegen verdächtige Ehepaare

Bonn (taz) – Die Europäische Union will stärker gegen sogenannte „Scheinehen“ vorgehen. Darauf hat gestern die grüne Europaabgeordnete Claudia Roth auf einer Pressekonferenz in Bonn hingewiesen. Eine dementsprechende Entschließung liegt den in Luxemburg tagenden Innen- und Justizministern der EU vor. Sie wird, laut Roth, „einfach durchgewunken“.

Der Entschluß sei weder im deutschen noch im europäischen Parlament debattiert worden, müsse aber bis Anfang 1999 im deutschen Ausländerrecht umgesetzt werden. Roth nannte dieses Vorgehen einen „geschickten Schachzug, ein problematisches Gesetz über den Umweg Europa national durchzusetzen“.

Bislang ist das Wort „Scheinehe“ kein deutscher Rechtsbegriff. Besteht der Verdacht, daß ein Paar über den Umweg des Standesamtes eine Aufenthaltsgenehmigung erlangen will, wird bislang unter dem Verdacht der „Falschbeurkundung“ ermittelt. Der neue Maßnahmenkatalog formuliert eine Reihe von Indikatoren für „Scheinehen“, zum Beispiel die „fehlende Aufrechterhaltung einer Lebensgemeinschaft“, ein zu großer Altersunterschied oder das Fehlen von Unterhaltszahlungen. Sabine Kriechhammer-Yagmur vom Verband binationaler Familien (iaf) sagte, daß deutsche und binationale Paare so mit zweierlei Maß gemessen würden. So kontrolliere niemand, ob sich deutsche Ehegatten aus finanziellen oder anderen „nicht emotionalen“ Gründen zusammenschließen. Kriechhammer-Yagmur: „Im Kampf gegen Zuwanderung ist fast jedes Mittel recht.“

Informationen über verdächtige Paare sollen die Behörden nach dem Gesetzentwurf von Dritten, Familienangehörigen oder Nachbarn, gewinnen – „staatlich verlangte Denunziation“, sagt Claudia Roth, und Kriechhammer- Yagmur fügt hinzu, daß sich in fast jeder deutschen Familie jemand finde, der gegen den ausländischen Partner und für die Bezeugung einer Scheinehe zu gewinnen sei.

Rund 50.000 binationale Ehen werden jedes Jahr in Deutschland geschlossen. Dabei suchen sich die Heiratswilligen ihre Partner vor allem außerhalb von Europa: Auf den ersten zehn Plätzen stehen sämtlich Nicht-EU-Länder. Wie viele „Scheinehen“ jährlich geschlossen werden, ist nicht bekannt, in Frankreich sind es pro Jahr 79. Ariel Hauptmeier