Ein Wehrmachtsoffizier darf es sein

■ Ein Bundeswehroffizier hängt das Bild seines Großvaters, des Wehrmachtsgenerals Guderian, ins Dienstzimmer. Hardthöhe: Kein Problem

Berlin (taz) – Der Hauptgefreite Wolfgang Schmidt* wunderte sich. Als er das Arbeitszimmer von Oberstleutnant Günther Guderian, Verbindungsoffizier beim 18. Airborne Corps im kalifornischen Fort Bragg, betrat, fiel sein Blick auf ein Schwarzweißbild. Es zeigt Heinz Guderian, Panzergeneral der Wehrmacht und Großvater von Günther Guderian. Irritiert wandte sich Wolfgang Schmidt am 14. Oktober dieses Jahres mit einer Eingabe an die Wehrbeauftragte in Bonn: Was davon zu halten sei, wenn ein Bundeswehroffizier einen Wehrmachtsoffizier verehre?

Schließlich war Heinz Guderian nicht irgendwer. Der 1954 in der Bundesrepublik verstorbene General hatte maßgeblich die Taktik des Blitzkrieges mitentwickelt, beim Überfall Nazideutschlands auf Polen, Belgien, Frankreich und die UdSSR Panzereinheiten befehligt. Obwohl er zweimal wegen militärstrategischer Einschätzungen bei Hitler in Ungnade gefallen war, gehörte er bis zuletzt zu dessen treuesten Untergebenen.

Einen Tag nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Heinz Guderian zum Generalstabschef des Heeres ernannt. In seinem Tagesbefehl hieß es: „Jeder Generalstabsoffizier hat ein nationalsozialistischer Führungsoffizier zu sein.“ Als Mitglied eines Ehrengerichts war er daran beteiligt, alle des Umsturzes verdächtigen Offiziere aus der Wehrmacht auszustoßen. Das war die juristische Grundlage, um die Offiziere vor den Volksgerichtshof zu bringen – viele wurden dort zum Tode verurteilt. Offiziere also, derer alljährlich im Sommer der Bundesverteidigungsminister mit einem Staatsakt im Bendlerblock, Sitz des ehemaligen Oberkommandos der Wehrmacht, gedenkt.

Die Reaktion auf Wolfgang Schmidts Eingabe bei der Wehrbeauftragten ließ nicht lange auf sich warten. Allerdings gänzlich anders, als es sich der Hauptgefreite der Bundeswehr vorgestellt hatte. Am 3. November stellte sein disziplinarischer Vorgesetzter, ein Oberst, einen Antrag auf Abkommandierung. Begründung: Das Verhältnis zwischen dem Hauptgefreiten und Günther Guderian sei seit längerem gereizt. Kurz darauf mußte Wolfgang Schmidt seine Sachen packen und wurde 500 Kilometer weiter weg versetzt – seine Frau und Tochter aber blieben in Fort Bragg.

Günther Guderian hat aus der Verehrung für seinen Großvater, der nach dem Krieg im rechtsextremen Plesse-Verlag publizierte, keinen Hehl gemacht. Die US-Zeitung Fayettville Observer-Times vom 14. Dezember 1995 widmete ihm und seinem Großvater einen langen Beitrag. Darin zitierte die Zeitung den damals 46jährigen Guderian mit den Worten, er sei ziemlich stolz („pretty proud“) auf seinen Großvater. Manchmal habe er den Eindruck, weit mehr Offiziere der US-Armee wüßten etwas mit dem Namen von Heinz Guderian anzufangen als Offiziere der Bundeswehr. Im Zweiten Weltkrieg, wird Günther Guderian weiter zitiert, seien die Vorgesetzten nicht immer den Ratschlägen seines Großvaters gefolgt: „Wenn Sie in der Geschichte nachlesen, werden Sie feststellen, daß sie immer dann nicht erfolgreich waren, wenn sie meinem Großvater nicht zuhörten.“ Guderians Treue zu Hitler erklärte er so: Sein Großvater habe nicht an der Verschwörung vom 20. Juli teilgenommen, weil es nicht mit seiner Offiziersehre vereinbar gewesen sei, „jemanden zu töten, ohne ihm ins Gesicht zu sehen“.

Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach hält die Guderian-Verehrung für skandalös. Wer wie Bundesverteidigungsminister Volker Rühe gegen rechtsextreme Tendenzen in der Truppe vorgehen wolle, dürfe nicht vor der „NS-Verherrlichung eines Offiziers“ haltmachen. Doch das Verteidigungsministerium stellte sich schützend vor Günther Guderian. Es sei „nicht zu beanstanden, daß ein Soldat der Bundeswehr das Bild seines Großvaters in seinem Dienstzimmer angebracht hat“, heißt es lapidar in einem Schreiben des parlamentarischen Staatssekretärs Klaus Rose an die Abgeordnete. Das gelte auch dann, wenn es sich um das Bild eines Wehrmachtsoffiziers handele. Auch die Äußerungen Günther Guderians gegenüber der US-Zeitung sieht die Hardthöhe gelassen. Der Oberstleutnant habe „lediglich Einschätzungen seines Großvaters zur militärischen Operationsführung im Zweiten Weltkrieg sowie dessen Einstellung zum militärischen Widerstand ohne eigene Bewertung“ wiedergegeben. Severin Weiland

* Name von der Redaktion geändert