Die wahre Dröhnung

Bei 120 Dezibel hört der Spaß auf. Ärzte fordern eine Lautstärkenbegrenzung in Diskotheken und für Walkmanhersteller  ■ Von Ajub Iskandarani

„Wenn das so weitergeht, sind wir bald ein Volk von Schwerhörigen“, klagt Dr. Bruno Schmolke. Montag morgens sitzen im Wartezimmer des Hamburger Hals-Nasen-Ohren-Arztes die typischen Wochenendopfer: Junge Leute die sich in Diskotheken und Konzerthallen die wahre Dröhnung verpaßt haben. „Viele Jugendliche empfinden das als schick, wenn sie ein Piepen auf den Ohren haben“sagt Schmolke. Erst wenn das Ohrgeräusch unerträglich wird, kommt die Einsicht.

Wie bei Oliver Heider. Nach einem Punkrockkonzert im September war der 25jährige Student kurz vor einem Gehörsturz. „Das Piepen war so stark, daß ich nicht mehr schlafen konnte“, erzählt Oliver. Erst nach vier Tagen ging er zum Arzt. Die Diagnose war klar: Tinitus wird der Dauerton im Medizi-nerdeutsch genannt. Sein Ohrenarzt verschrieb eine Infusionstherapie. Zwei Wochen lang mußte Oliver täglich in die Praxis kommen. Dort wurde ihm ein Venenzugang gelegt, durch den ihm jeweils ein halber Liter Kochsalzlösung eingeflößt wurde.

Die Infusionen sollen die Durchblutung verbessern, damit das geschädigte Ohr sich schneller erholt. Nach zwei Wochen klangen Olivers Beschwerden langsam ab. „Ich hab mir keine Gedanken gemacht“, sagt er und rollt zwei Ohrstöpsel über den Tisch. Ohne die beiden Schalldämpfer geht er auf kein Konzert mehr.

„Früher kamen die Hörschäden durch Lärm am Arbeitsplatz“, erzählt HNO-Arzt Schmolke. Seitdem der Arbeitsschutz Belastungen über 95 Dezibel verbietet, nimmt die Zahl der Geschädigten ab. Für Diskotheken, Konzerthallen und Walkmans aber gibt es keine Begrenzung. „Die können bis 110 oder 120 Dezibel aufdrehen“, ärgert sich Schmolke.

Verschiedene Ärztekommissionen haben deswegen Auflagen für Konzertveranstalter und Walkman-Produzenten gefordert, die den Maximalpegel reduzieren sollen. In Konzerthallen sind Auflagen nur schwer umsetzbar, da die Lärmbelastung nicht nur von der Verstärkeranlage abhängig ist, sondern auch von der Größe des Raumes. Beim Walkman scheint eine Begrenzung eher realisierbar. Einige Hersteller haben sich bereits zu einer Pegelbegrenzung bereit erklärt. Eine gesetzliche Regelung gibt es bislang nicht.

Da bleibt nur die freiwillige Selbstkontrolle. Bruno Schmolke rät: „Man sollte dem Ohr immer mal eine Pause gönnen und sich nie direkt an die Lautsprecher stellen.“