Fluppenknöllchen

Rauchern soll es an den Kragen gehen. Bald werden 100 Mark Bußgeld pro Kippe fällig  ■ Von Lisa Schönemann

Raucher sind glückliche Menschen. Freimütig räumen sie ein, den schönen Dingen des Lebens nicht abgeneigt zu sein: Sie schätzen Wein, Kippen und Gesang – wenn sie nicht gerade, wie in der Gauloiseswerbung, im gestreiften Pyjama aus einer Boulangerie spazieren, das Stangenweißbrot lässig unter den Arm geklemmt. Raucher gelten als weltoffen und sind tolerant gegenüber denjenigen, die andere Zigarettenmarken kaufen als sie selbst.

Es muß das Einatmen von Kohlenwasserstoffen, Nitrosaminen, Schwermetallen, radioaktiven Substanzen, Blausäure, Formaldehyd, Benzol und Pestizidrückständen sein, das den qualmenden Genießern ein glückliches Lebensgefühl vermittelt. Ihre Spontaneität ist selbst in geschlossenen Räumen ungebrochen; doch engstirnige Frischluftfanatiker wollen dieser Spezies jetzt den Rauch aus den Segeln nehmen. Mit einem demonstrativen Hüsteln warnen sie vor dem gemeinen Lungenkrebs bei Passivrauchern.

Sollte die genußvolle Schmauchpause demnächst nur noch auf Helgoland erlaubt sein? Seit November 1996 glimmt in Bonn ein Gesetzentwurf vor sich hin, mit dem 136 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU, SPD und FDP die Nikotinsüchtigen zur Kasse bitten wollen. Demnach sollen Raucher bei einem Verstoß gegen das geplante generelle Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Verkehrsmitteln und am Arbeitsplatz mit einem Bußgeld von 100 Mark belegt werden. Pro Zigarette, versteht sich. Für Arbeitgeber, die den Nichtraucherschutz ignorieren, sieht der Entwurf Bußgelder bis zu 5000 Mark vor.

Kneipiers und Restaurantbesitzer haben bereits ihren Widerstand angekündigt: Das Nichtrauchergesetz sei so überflüssig wie ein Kropf, entfuhr es dem Chef der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg anläßlich einer Anhörung in Bonn. „In einer Zeit, in der immer wieder vom schlanken Staat die Rede ist, sollten nicht Gesetze beschlossen werden, die niemandem nützen“, so Möllenberg.

Bisher ist die Rechtslage uneinheitlich und unklar: Striktes Rauchverbot gibt es nur auf U- und geschlossenen Bahnhöfen. Aufkleber weisen etwa Fahrgäste im unterirdischen S-Bahn-Halt Altona darauf hin, daß ihnen ihre Prince Denmark mißgönnt wird. Der Babysitterstaat gängelt seine rauchsüchtigen Bürger wie Kleinkinder. Allerdings mit mäßigem Erfolg.

Die Risikofreudigkeit des Rauchers ist ungebrochen. Der Hinweis, seine Lebenserwartung verringere sich aufgrund seines Lasters statistisch gesehen um 8,3 Jahre, vermag ihn nicht zu schockieren. Er genießt weiter – in vollen Zügen. „Wenn ich statt 100 Jahre 92 werde, stört mich das nicht“, so die schlagfertige Antwort eines Unbeirrbaren. Nikotinsüchtige verweisen gern auf andere lebensverkürzende Faktoren wie die steigende Umweltverschmutzung. Schließlich sei es schwerer, gegen Atom-, Chemie- und Pharmagiganten zu Felde zu ziehen als gegen Raucher. Warum sollten sie sich in Demut der Gesundheitsdiktatur beugen?

Und so stehen sich Anhänger und Gegner des blauen Dunstes unversöhnlich gegenüber: Am 31. Mai zelebrieren die Gesundheitsapostel jedes Jahr den „Weltnichtrauchertag“.

Frauen, die täglich zehn Zigaretten inhalieren, kommen ein Jahr früher in die Wechseljahre. Eizellen von Raucherinnen sind ebenso von minderer Güte wie das Sperma von Rauchern. Aber muß man sich das ständig vor Augen halten? Die Zigarette im Mundwinkel, feiern die Menschen aus dem blauen Dunstkreis ihren „Weltrauchertag“am 1. Mai. Freilich werden es jedes Jahr weniger. Der Anteil der rauchenden Bevölkerung ist seit 1960 von 37 auf 33 Prozent gesunken. Hinter diesem geringfügigen Rückgang verbergen sich bedeutsame Veränderungen in der Struktur und im Konsumverhalten der rauchenden Bevölkerung.

So sank der Anteil der rauchenden Männer in den vergangenen drei Jahrzehnten von 58 auf 43 Prozent, wogegen der Anteil bei Frauen von 20 auf 34 Prozent gestiegen ist. Rauchten Anfang der siebziger Jahre noch 58 Prozent aller Jugendlichen, waren es zu Beginn der neunziger nur noch 44 Prozent. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann rauchen sie noch heute.