Neues vom Nikolaus
: Roter Mantel, braunes Blut

■ Nikolaus made by Coca-Cola

Theorien über die Herkunft des Nikolaus gibt es so viele wie Nüsse im Sack. In den 70ern glaubte man, der Nikolaus sei („Opium f. d. Volk“) eine Erfindung des Kapitals (Sombart). Die 80er („Jahrzehnt der Freizeitgesellschaft“) hielten ihn für eine Hervorbringung des Unterhaltungsgiganten Disney. In den 90ern, als allerorten Wertediskussionen aufflammten, machte die von gewissen katholischen Einpeitschern lancierte „Nikolaus war ein türkischer Bischof“-Theorie die Runde. Doch nach neueren Untersuchungen der University of Wisconsin ist der Nikolaus – ein Produkt von Coca Cola.

Ende der 20er Jahre, Depression und Düsternis weltweit, hinter dem Horizont der Weltgeschichte liefen sich schon die Finsterlinge des Jahrhunderts warm. Auch der Weltkonsum von Coca Cola ging in die Knie. Wo das Leben der Arbeitslosen auch für sie selbst spürbar aus einer unaufhörlichen Reihung von Pausen bestand, wollte das ganz auf Pausenmetaphorik setzende Cola-Marketing nicht mehr greifen. In einer „gottfernen Zeit“(Küng) setzte Coca-Cola auf einen neuen, „im Reagenzglas der Werbegrafik gezeugten Gott“(Adorno), der das „Evangelium der Erfrischung“(Helmut Fritz) verkünden sollte. Gutmütigkeit, Bärtigkeit und Durst nach der braunen Brause sollten ihn auszeichnen. Und sein Name? NiCOLAus!

Der Werbefeld- und Schachzug erwies sich im Nachhinein als geschickt. Coca-Cola und Erlösungssehnen wurden nicht nur für christlich durchdrungene, sondern auch für heidnische, wilde und sogar bislang unentdeckte Gesellschaften zu Begriffen desselben Konnotationsfeldes. Als ein Glücksfall der „Geschichte“(A. Kluge) muß – zumindest aus Sicht des CC-Konzerns – der Umstand gewertet werden, daß die Kunstfigur Nikolaus/Gott bis ins Detail der schon viel länger eingeführten Figur des Weihnachtsmanns ähnelt. Gottferne Völker etwa im Busch Südamerikas glauben heute noch an die Identität von Nikolaus, Coca-Cola und Weihnachtsmann. Heutzutage „kommt der Weihnachtsmann“(Volkslied) fast überall auf der Welt in der Gestalt des Nikolaus zu den „Kinderlein“(dto.).

Eine Separatentwicklung dagegen machte der Nikolaus hierzulande durch. Schon die „Braunen“lehnten das Getränk ab, welches nicht nur aus dem dekadenten Amerika herschwappte, sondern auch noch die Farbe Braun für sich reklamierte. Den Ruch des Fremden legte der deutsche Nikolaus nie ganz ab (vgl.: „Nikolaus war ein Türke“). Nur in Deutschland existiert das sog. „Nikolauslaufen“, welches die zunächst positiv konzipierte Kunstfigur von Coca-Cola in das zwielichtige Umfeld von Plünderzügen und Schutzgelderpressung drängt. BuS