Gesucht: Ein Wundermann, der alles kann

Die alten Hasen verlassen den Museumstanker: Für Knopp, Schuster und Honisch werden Nachfolger gesucht. Christoph Stölzl und K.-D. Lehmann gelten als Kandidaten für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz  ■ Von Katrin Bettina Müller

Die Museumslandschaft der Hauptstadt wandelt sich. Die alten Meister ziehen von Dahlem ans Kulturforum. Die ägyptischen Büsten aus Charlottenburg sollen wieder ins Neue Museum in Mitte. Baustellen und umzugsbedingte Schließungen haben die Museumsinsel erfaßt. Aber auch das Personalkarussell dreht sich. Museumsdirektoren wandern ab, gehen in Ruhestand oder sitzen in den Startlöchern, um von einem Haus ins nächste zu wandern. Beginnt eine neue Epoche für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz?

Die Fäden in diesem ausgedehnten Geflecht zwischen den Standorten von inzwischen 17 Museen, die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören, hat seit 20 Jahren der Stiftungspräsident Werner Knopp gezogen. Als der Jurist 1977 sein Amt als Präsident antrat, galt es zwischen den auf Expansion bedachten Wünschen von 14 Museen, einem großen Verwaltungsapparat, den Geldgebern in Bund und Ländern und den Plänen der Stadt zu vermitteln.

Mit dem Fall der Mauer veränderten sich Chancen und Aufgaben der Stiftung rapide, galt es doch, nicht nur Sammlungsteile aus Ost- und Westberlin zusammenzubringen, sondern auch die Konzepte für das Kulturforum und die Museumsinsel neu zu überdenken. Es gehört zu den Erfolgen Werner Knopps, daß die Länder, die nach der Vereinigung Deutschlands das Stiftungsziel erreicht sahen und aus der Finanzierung aussteigen wollten, Ende 1996 doch noch ein Abkommen über die weitere Beteiligung am Etat, der nun 400 Millionen beträgt, unterzeichneten.

Doch nach Dieter Honisch, der bis 1997 die Neue Nationalgalerie 22 Jahre lang führte, geht mit Knopp im Januar 1998 der zweite Lotse von Bord des Museumstankers in den Ruhestand. Damit steht die Wahl eines neuen Präsidenten im Stiftungsrat an, der sich aus 120 Vertretern des Bundes und 80 der Länder zusammensetzt. Über drei Kandidaten wird diskutiert: Christoph Stölzl (Direktor des Deutschen Historischen Museums, DHM), Klaus-Dieter Lehmann (Generaldirektor der Deutschen Bibliothek) und den Berliner Staatssekretär Erich Thies. Letzterer, der die Aufgabe übernommen hat, die Hochschulen zur Einsparung von 196 Millionen Mark zu drängen, gilt als Außenseiter.

Der Bund favorisiert Stölzl, bekannt für seine guten Kontakte zum Kanzleramt. Ganz anders als der kaum auf Öffentlichkeit versessene Präsident Knopp, liebt Stölzl medienwirksame Auftritte. Als Direktor des DHM wußte er deutsche Geschichte zu einem unterhaltsamen, kosmopolitisch gesprenkelten Programm zu machen, in dessen bunter Vielfalt sich kritische Ansätze verspielten.

Es ist kaum anzunehmen, daß Stölzl gegenüber den inhaltlichen Konzepten der einzelnen Museen eine ähnliche Zurückhaltung wie Knopp üben würde. Mit ihm würde der Bund einen Präsidenten erhalten, der sich sicher nicht nur für ein forsches Marketing der Museen einsetzt, sondern auch ein Auge darauf hat, daß Kultur in die Kulissen der Regierungsgeschäfte paßt. Es läßt sich auch darüber spekulieren, ob mit Christoph Stölzl das DHM unter das Dach der Stiftung käme.

Klaus-Dieter Lehmann, für den sich bisher die Kultusministerien einiger Länder ausgesprochen haben, ist seit zehn Jahren Generaldirektor der Deutschen Bibliothek und hat deren Vereinigung mit der Deutschen Bücherei in Leipzig auf den Weg gebracht. Auch er setzt auf Benutzerfreundlichkeit für die Kultur. Wer zum Beispiel die langjährige Hilflosigkeit der Stiftung gegenüber einem Beamtenrecht, das angeblich längere Öffnungszeiten der Museen verhindert, mitbekommen hat, kann da nur auf Besserung hoffen.

Die Erfahrung, die Lehmann darin gewonnen hat, High-Tech- Dienstleistungen und Schriftkultur zusammenzubringen, würde er in Berlin gleich wieder gebrauchen können, gilt es doch, eine sinnvolle, funktionale Aufteilung für die Staatsbibliothek und die Bibliothek Unter den Linden zu verwirklichen. Dabei wurde auch schon über eine Vernetzung mit der Deutschen Bibliothek und die Umwandlung in eine Nationalbibliothek nachgedacht.

Wen immer der Stiftungsrat, der das nächste Mal am 11. Dezember tagt, wählen wird, muß sich auch mit den veränderten Bedingungen des Ausstellungsbetriebes auseinandersetzen. Spektakuläre Sonderausstellungen, die seit den achtziger Jahren den Museen ungewöhnliche Publikumszuwächse brachten, sind fast nur noch mit Sponsorenhilfe zu finanzieren. Wie man aber mehr mit dem Pfund der vorhandenen eigenen Schätze wuchern und sich auf die Kraft der Sammlungen besinnen kann, dazu fehlte es den meisten Direktoren bisher an Inspiration.

Nicht nur Werner Knopp verläßt die graue Riege der Berliner Museumsleiter. Denn nach Honisch wird im Sommer 1998 auch Klaus-Peter Schuster gehen, der den Verlockungen der Bayrischen Staatsgalerie München nicht widerstehen kann. Schuster hat besonders in Ausstellungen der Alten Nationalgalerie zum 19. Jahrhundert und zum Beginn der Moderne die Stärken der Sammlungen glänzen und die Geschichte der Museen aufleuchten lassen.

Wolf-Dieter Dube, der als Generaldirektor ausharren will, beklagte einmal, daß die heutigen Anforderungen an einen Museumsdirektor Übermenschliches verlangten: wissenschaftliche Kompetenz und bildungspolitische Zielstrebigkeit reichen längst nicht mehr. Der Direktor muß auch als Manager, Unterhalter von Sponsoren, Bauherr, Spezialist der Stadtplanung fit sein und über eine medienwirksame Aura verfügen. Ein solcher Wundermann, der alles kann, wird zur Zeit gesucht für den Posten des Direktors der Neuen und der Alten Nationalgalerie, den Hamburger Bahnhof und die Sammlung Berggruen. Kein leichter Job also.