Polizei neigt zu „tendenzieller Bagatellisierung“

■ Das Büro gegen ethnische Diskriminierungen zieht nach einem Jahr ein zwiespältiges Fazit: Die meisten Behörden, außer der Polizei, sind kooperativ. Ethnische Diskriminierung jedoch leugnen sie

Eins wollen sie nicht: aus Einzelfällen Skandale machen. Die Mitarbeiter des Büros gegen ethnische Diskriminierungen in Berlin und Brandenburg (BDB), das in diesen Tagen einjähriges Bestehen feiert, wollen über Einzelfälle hinaus. Sie wollen auf den „ganz alltäglichen Rassismus“ in Form von Schikanen und Bedrohungen aufmerksam machen. Sie suchen den Dialog mit Personen und Ämtern, sie fordern ein Antidiskriminierungsgesetz, sie wollen präventive Maßnahmen gegen die Ausgrenzung von Angehörigen ethnischer Minderheiten entwickeln.

Das Fazit nach einem Jahr: Diskriminierung findet in allen Bereichen statt. Die Arbeit des BDB, das über einen Geschäftsführer und zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen verfügt und nur noch bis nächstes Jahr durch EU-Gelder gefördert wird, kann sich sehen lassen. Es dokumentiert Fälle von Beleidigung, Mißachtung, sozialer Benachteiligung. Das geht von herablassendem Verhalten auf dem Sozialamt, auf der Kfz-Zulassungsstelle, beim Wohnungsamt bis zur Benachteiligung von ausländischen Studenten bei der Jobvermittlung. Besonders gravierende Fälle von Diskriminierung werden an amnesty international weitergeleitet.

Doch das BDB, ein Gemeinschaftsprojekt des Türkischen Bundes, des Europa-Afrika-Kulturzentrums, des Polnischen Sozialrates, der Vereinigung der Vietnamesen und des Vereins iranischer Flüchtlinge, versteht sich nicht nur als Sprachrohr für ethnische Minderheiten. Das Büro sieht sich auch als Vermittler zwischen Behörden und Hilfesuchenden. Mit Gesprächen und Briefen versuchen die Mitarbeiter, Konflikte zu lösen. Das BDB hat zwar im ersten Jahr seines Bestehens eine „kooperative“ Haltung bei den von ihm angeschriebenen Behörden festgestellt. Allerdings, so Geschäftsführer Fathi, würde „eine ethnische Diskriminierung“ in den meisten Fällen geleugnet. „Die Bekämpfung von diskriminierenden Strukturen braucht daher eine langfristige politische Arbeit, um das alltägliche Problem der Diskriminierungen überhaupt ins Bewußtsein der Mehrheitsgesellschaft zu rücken.“

Die schlechtesten Erfahrungen hat das BDB mit der Polizei gemacht. „Hier erscheint jegliche Klärung unmöglich“, heißt es in dem Erfahrungsbericht, der diese Woche vorgestellt wurde. Die beschuldigten Beamten reagierten in der Regel mit Gegenanzeigen, der juristische Weg sei selten erfolgversprechend, da es meistens keine unparteiischen Zeugen gibt. Auf Vorwürfe von Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen würde die Polizeiführung „tendenziell bagatellisierend“ reagieren. „Der Schluß liegt nahe, daß in der Berliner Polizei kein Interesse an einem Klima besteht, das die Klärung von derartigen Vorwürfen fördert“, so das Fazit. Doch das BDB läßt nicht locker. Für Ende dieses Jahres ist ein zweijähriges Pilotprojekt für polizeiliche Fort- und Ausbildung im interkulturellen Bereich geplant. Barbara Bollwahn

Büro gegen ethnische Diskriminierungen, Hohenstaufenstraße 7, 10781 Berlin, Tel.: 216 88 84, 216 79 30, Fax: 216 79 26, Sprechstunden: Mo.: 10 – 12 Uhr, Di.: 14 – 16 Uhr, Do.: 18 – 20 Uhr

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