Renovierung mit Handschellen

Wenn „ausländisch aussehende Männer“ eine Wohnung renovieren, muß es sich um Schwarzarbeit handeln, dachte sich ein Kontaktbereichsbeamter. Eine wahre Geschichte  ■ Von Barbara Bollwahn

Mahmoud Darwich* und seine drei Freunde haben gut gefrühstückt, die Möbel sind schon auf den Flur geräumt, die alte Tapete ist abgerissen, die Wandfarbe angerührt. Die Renovierung der Wohnung von Mahmoud Darwich in der Joachim-Friedrich-Straße in Charlottenburg kann losgehen. Da fällt dem 36jährigen Wohnungsinhaber ein, daß er noch Vorstreichfarbe für die Fenster der Erdgeschoßwohnung braucht.

Während der Taxifahrer auf dem Weg zum Baumarkt ist, bekommen seine Freunde aus Libyen, die sich zu Studienzwecken in Deutschland aufhalten, und ein Freund aus Damaskus, der als anerkannter Asylbewerber in der Nähe von Chemnitz lebt, unerwarteten Besuch. Kaum haben sie die Ärmel hochgekrempelt, kommt ein Kontaktbereichsbeamter (KOB) des Wegs, wirft einen Blick durch das offene Fenster der Parterrewohnung und sieht drei „Personen mit ausländischem Aussehen“ beim Ausführen von Malerarbeiten. „Da nach meiner Berufs- und Lebenserfahrung in heutiger Zeit vermehrt Schwarzarbeiten durchgeführt werden, entstand der Verdacht, daß in der Wohnung Schwarzarbeiten durchgeführt werden“, vermerkt er später in seinem „Tätigkeitsbericht“.

Der KOB klingelt. Bereitwillig öffnen ihm die drei mutmaßlichen Straftäter die Tür. Anstandslos händigen sie ihre Papiere aus und geben Auskunft über ihr Tun. Schließlich wissen sie, daß ein Freundschaftsdienst keine gewerbliche Tätigkeit ist. Weil sie der deutschen Sprache nur mäßig mächtig sind, rufen sie ihren Freund per Handy an. Er bestätigt dem Beamten, daß die drei Männer seine Freunde sind und ihm beim Renovieren helfen. Er fordert den Polizisten auf, seine Wohnung zu verlassen.

Das tut der auch. Doch nicht, um zu gehen. Mit den Papieren in der Hand verläßt er die Wohnung und fordert einen „Fustw“, einen Funkstreifenwagen, an. Schließlich muß die Richtigkeit der Dokumente überprüft werden.

In der Zwischenzeit ist der Wohnungsinhaber vom Baumarkt zurück. Im Gegensatz zu seinen Freunden weigert er sich, sich auszuweisen. Der gebürtige Palästinenser hat seit sieben Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein „Fustw“ mit zwei Mann Verstärkung trifft ein. Darwich versucht, sie am Betreten der Wohnung zu hindern. Eine Erklärung, warum er und seine Freunde aufs Revier mitkommen sollen, bekommt er nicht. Statt dessen verschaffen sich die Beamten gewaltsam Zutritt. „Sie stürmten wie im Boxring auf mich in die Wohnung herein“, so Darwich. Er fordert einen seiner Freunde auf, die Videokamera zu holen. Als die Polizisten die Kamera sehen, lassen sie von Darwich ab und reißen dessen Freund die Kamera aus der Hand und „schlugen und würgten“ ihn, erzählt der Wohnungsinhaber.

Darwich will seinen Anwalt anrufen. Doch auch da ist die Polizei schneller. „Sie rissen das Kabel aus der Wand und traten gegen das auf dem Boden stehende Telefon“, so Darwich weiter. Schließlich händigt er seinen Ausweis aus. Ohne weitere Erklärungen werden ihm Handschellen angelegt. Er und seine Freunde werden vorläufig festgenommen und sollen zur Überprüfung ihrer Papiere in die Gefangenensammelstelle gebracht werden. Da fällt Darwich ein, daß der Gasherd noch an ist. Als ihn ein Polizist anbrüllt: „Das ist nicht unser Problem“, weigert er sich, die Wohnung zu verlassen. Schließlich darf er sich dem Herd nähern. „Der Polizist zog jedoch so an mir“, so Darwich, „daß ich aus Versehen nicht ausmachte, sondern nur auf kleine Flamme drehte.“ Der Herd bleibt an, die Wohnungstür offen. „Dafür haben wir keine Zeit“, so ein Beamter.

Auch auf dem Revier geht alles ganz schnell. Mahmoud Darwich kann ohne jede weitere Überprüfung die Wache nach wenigen Minuten verlassen. Zuvor hört er, wie sich Kollegen des übereifrigen Kontaktbereichsbeamten wundern, daß dieser Verstärkung angefordert hat. Beim Verlassen der Polizeistation wird Darwich von einem Beamten angesprochen, der die ganze Aufregung auch nicht versteht. Seine Freunde können nach einer halben Stunde gehen.

Der Vorfall ereignete sich am 21. August. Mahmoud Darwich erstattete Anzeige wegen Körperverletzung im Amt und Sachbeschädigung. Vor wenigen Tagen wurde Darwich bei der Polizei vorgeladen. Doch nicht als Geschädigter – ein Arzt bescheinigte ihm diverse Prellungen, Schürf- und Quetschwunden, die zu einer zweiwöchigen Krankschreibung führten – sondern als Beschuldigter. Die Beamten, gegen die Darwich Anzeige erstattet hat, haben ihrerseits Anzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte erstattet, obwohl Darwich drei Zeugen hat. „Der Polizeieinsatz muß als nackte Schikane und Willkür erscheinen“, so die Einschätzung von Anwalt Hans-Joachim Ehrig. „Eine Festnahme zur Identitätsfeststellung war nach erfolgter Paßeinsicht nicht zulässig.“

*Name von der Redaktion geändert