: Viele Rechenmodelle, aber kein Konsens
Die UN-Vollversammlung hat noch immer keine Entscheidung über eine Erweiterung des Sicherheitsrates treffen können. Alle Varianten finden entweder keine Mehrheit oder werden per Veto gestoppt ■ Aus Genf Andreas Zumach
Trotz bereits vierjähriger organisierter Debatte über eine Erweiterung des UNO-Sicherheitsrates wird die Generalversammlung der Vereinten Nationen auch auf ihrer noch bis Mitte Dezember laufenden Herbstsitzung voraussichtlich keine Entscheidung treffen. Damit dürfte die von Bundesaußenminister Klaus Kinkel ursprünglich einmal bereits zum 50. Geburtstag der UNO 1995 angekündigte ständige Mitgliedschaft Deutschlands im höchsten UN-Gremium vor der Jahrtausendwende kaum Wirklichkeit werden.
In der am Donnerstag eröffneten Plenardiskussion über den Sicherheitsrat, zu der sich 68 der 185 BotschafterInnen zu Wort meldeten, zeichnete sich für keines der derzeit vorliegenden Erweiterungsmodelle die erforderliche Zweidrittelmehrheit ab.
Der Vorsitzende der im Herbst 1993 eingerichteten ständigen Arbeitsgruppe der Generalversammlung, Malaysias Botschafter Ismail Razali, hatte eine Erweiterung des Rates von derzeit 15 auf 24 Staaten vorgeschlagen: Als ständige Mitglieder, allerdings ohne Vetorecht, sollen Deutschland, Japan und je ein Land aus Asien, Afrika und Lateinamerika dazukommen, darüber hinaus als nichtständige Mitglieder je ein Staat aus den drei Subkontinenten und aus Osteuropa, die innerhalb ihrer Regionalgruppe alle zwei Jahre rotieren.
Die Bundesregierung unterstützt diesen Vorschlag, allerdings mit der Variante, daß die fünf neuen ständigen Mitglieder auch das Vetorecht erhalten, um eine „Diskriminierung“ gegenüber den bisherigen ständigen Ratsstaaten (USA, Rußland, China, Frankreich, Großbritannien) zu vermeiden. Mit dieser Position hatte sich Bonn allerdings zunehmend isoliert, weil andere Bewerber für einen ständigen Ratssitz wie Japan, Brasilien oder Indien in den letzten Wochen einen Verzicht auf das Vetorecht signalisierten. Inzwischen deuten deutsche Diplomaten an, Deutschland könne nach einem Beschluß über seine Aufnahme in den Rat als ständiges Mitglied mit Veto die Erklärung abgeben, es werde das Veto „niemals anwenden“.
Doch auch in der ursprünglichen Version des malaysischen Botschafters hat dieses Erweiterungsmodell keine Chancen. Die Regionalgruppen aus den drei Subkontinenten können sich nicht auf ein ständiges Ratsmitglied aus ihren Reihen einigen. Aus Asien, Afrika und Lateinamerika bewerben sich je drei Länder.
Aus dem gleichen Grund ist auch der Vorschlag der USA zum Scheitern verurteilt, den Rat um 6 auf 21 Mitglieder zu erweitern, wobei als ständige Mitglieder Deutschland, Japan und je ein Land aus den drei Subkontinenten sowie ein nichtständiges Mitglied aus Osteuropa dazukämen.
Aussichten auf eine Zweidrittelmehrheit unter den 185 UNO- Staaten hätte lediglich das ursprünglich im Frühjahr diese Jahres von Italien vorgelegte Modell einer Erweiterung des Rates um sechs bis zehn ausschließlich nichtständige Mitglieder ohne Vetorecht, die auf Vorschlag ihrer jeweiligen Regionalgruppen von der Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden sollen.
Eine Annahme des italienischen Modells würde jedoch selbst bei Unterstützung einer Zweidrittelmehrheit am Veto mindestens der USA und wahrscheinlich auch anderer ständiger Ratsmitglieder scheitern. In einem neuen Antrag schlägt Italien daher die Verschiebung der Debatte auf nächstes Jahr und zwischenzeitliche weitere Beratungen in der Arbeitsgruppe vor. Ob über diesen Antrag abgestimmt wird oder nicht: Dies dürfte de facto das Ergebnis der diesjährigen Debatte der Generalversammlung sein.
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