Darwinisten für mehr Bildungschancen

■ Das Charles-Darwin-Gymnasium in Mitte ist als erste Schule ab heute im Streik. 22 weitere Gymnasien bereiten sich darauf vor. Landesschulamt spricht zwar von "besorgniserregenden" Kürzungen, droht aber

Ab heute schließen sich die SchülerInnen dem Streik der StudentInnen an. In der Oberstufe des Charles-Darwin-Gymnasiums in Mitte sollen diese Woche nur angekündigte Klausuren und Prüfungskurse für die AbiturientInnen stattfinden. „Wir boykottieren aber nicht einfach nur den Unterricht“, sagte gestern SchülerInnenvertreter Carlos Katins. Statt dessen soll es Arbeitsgemeinschaften und alternativen Unterricht geben. Am Dienstag und Mittwoch wollen die SchülerInnen sogar ihr Klassenzimmer vor das Rote Rathaus verlegen.

Das Darwin-Gymnasium macht nur den Anfang. Diese Woche wollen 22 weitere Schulen mit Schwerpunkt im Südwesten der Stadt auf Vollversammlungen über einen Streik entscheiden, sagt Lena Foljanty von der LandesschülerInnenvertretung. Eine Konferenz am Donnerstag soll die Aktivitäten koordinieren.

Die „StudentInnen von morgen“ wollen aber nicht nur den Protest an den Unis unterstützen, sondern auch eigene Ziele verfolgen, betont Foljanty. Weil das Land kaum noch Lehrer einstellt, würden die Klassen immer größer, die meisten Lehrer seien „so alt wie die eigenen Großeltern“. Der Staat versuche sich mit Sponsorenmodellen aus der Verantwortung zu stehlen. Es geht den SchülerInnen aber nicht allein ums Geld: Sie fordern auch „mehr Demokratie“, ihre Vertretung dürfe nicht länger als „Sandkasten“ behandelt werden. „Schule als Lebensraum“, faßt Foljanty die Ziele zusammen.

Die „Kürzungen im Bildungsbereich“ findet auch der Leiter des Landesschulamtes „besorgniserregend“. Das ändert für Wilfried Seiring aber nichts daran, „daß Streiks während der Schulzeit rechtswidrig sind“. Die Schulpflicht könne „nicht zur Disposition demonstrationswilliger Schüler gestellt“ werden. Streikbedingt versäumte Unterrichtsstunden seien daher als Fehlstunden zu werten. „Wer das in Kauf nehmen will“, so Seiring, „soll das tun.“ Eine Erziehung zur Verantwortung bedeute auch, „daß jeder, der nach seinem Gewissen handelt, die Folgen in Kauf nehmen muß“.

Seiring hat jedoch „überhaupt nichts dagegen“, wenn die SchülerInnen im Rahmen der Streikwoche – wie am Charles-Darwin- Gymnasium geplant – zwar in der Schule erscheinen, sich dort aber statt mit mathematischen Formeln mit „der Haushaltslage Berlins, den entsprechenden Senatsentscheidungen und ihren Auswirkungen“ beschäftigen. Solche „relevanten Themen“ aufzugreifen sei sogar „die vornehmste Pflicht“ des einzelnen Lehrers, in dessen Hand die Entscheidung über Unterrichtsinhalte liege.

Auch Schulleiter Herbert Schkutek findet „die Konditionen, die sich unsere Schülersprecher überlegt haben, ganz vernünftig“. Schließlich richte sich der Streik „nicht gegen die Schule“: Die Forderung, daß „Bildung mit hinreichend viel Geld ausgestattet“ werden müsse, kann auch Schkutek unterstützen.

Er fordert seine SchülerInnen aber „dringend“ auf, den Streik nicht zu verlängern. „Eine Woche ist eine vernünftige Zeit, um ein Zeichen zu setzen“, meint er. Es schade den Verantwortlichen nicht, wenn die SchülerInnen auf ihren Unterricht verzichteten. Eine Fortsetzung des Streiks werde sich daher „gegen sie selbst kehren“. Ralph Bollmann