Press-Schlag
: Wer sonst? Barcelona!

■ Lautern ist Meister - im Verdrängen

Meist sind es die unangenehmen Dinge im Leben, die der Mensch am liebsten verdrängt und in der Tiefe seiner Seele versenkt – am besten auf Nimmerwiedersehen. Doch unverhofft steigt dieses Unbewußte wieder auf und quält so lange, bis das Unangenehme benannt und die Seelenpein gebannt ist. Beim Bundesliga-Tabellenführer 1. FC Kaiserslautern ist das ganz anders. Trainer, Präsident und Team leugnen das Angenehme, als verberge sich ein Dämon dahinter, der sie umgehend in die 2. Bundesliga zurückschicken könnte. Bis vor kurzem wehrten sie sich noch einigermaßen zu Recht dagegen, als Favorit für den Meistertitel gehandelt zu werden. Doch seit dem freitäglichen 2:0 gegen Bayern München ist man sieben Punkte voraus – und wird auch nach der Winterpause noch Erster sein. Doch gerade dieses Glück bringt die kollektive Psyche durcheinander. Es hätte auch umgekehrt kommen können, der 1. FCK die beiden letzten Spiele verlieren, die Bayern beide gewinnen. Dann wäre Bayern fünf Punkte voraus und für alle jetzt schon Meister.

Der 1. FCK aber, zwei Siege und einen Punkt vor, winkt weiter ab. Eine gefährliche Leugnung der Realität, die schnurstracks zum Psychotherapeuten führen sollte. Wer die Realität leugnet, vergißt, die Zukunft richtig zu planen, und verliert seine Perspektive aus den Augen. Der Brasilianer Ratinho scheint bereits schwer von dieser Krankheit befallen zu sein. Auf die Frage, wer denn sonst Meister werden solle, antwortete er: „der FC Barcelona“. Diagnose klar, Prognose bedenklich. Noch bedenklicher: Der neben Ciriaco Sforza kreativste Lauterer träumt nicht (mehr). Nicht von Old Trafford, nicht von San Siro. Schon werden Stimmen laut in der Pfalz, die zweifeln, ob man beim 1.FCK überhaupt schon realisiert hat, welch gute Zeiten auf den Verein zukommen könnten. Alex Fynn hat im Fachmagazin Total Football bereits die künftige „European Superleague“ entworfen, die spätestens im Jahr 2000 mit vier Gruppen à zehn Mannschaften kommen soll. Noch ist der Rahmen intimer. Auf jeden Fall wäre der 1. FCK als Meister gesetzt und hätte in seiner Sechsergruppe im nächsten Spieljahr fünf Champions-League-Heimspiele: Genug für neue Spieler und eine dauerhafte internationale Perspektive. Für Otto Rehhagel stellt sich deshalb die Frage, bleiben oder nicht, nur rhetorisch und fiskalisch. Inzwischen spricht er wenigstens von seinem Ziel, einen internationalen Wettbewerb zu erreichen. Welchen, darüber schweigt er sich aus. In Wahrheit will er das vollenden, was ihm Beckenbauer und Hoeneß versagt haben. Er will den Triumph, der ihm noch fehlt: in der Champions League die erste Geige streichen – nun eben mit dem 1. FCK. Günter Rohrbacher-List