Tumbe Germanen wollen Königsberg

■ Zusammen mit rechtsextremen Gesinnungsgenossen fördert Manfred Roeder die „Regermanisierung“ des heutigen Kaliningrad

Gut vier Jahre ist es her, daß sie auf die Idee kamen, ihre Leidenschaft offen auszuleben. Der Nordteil Ostpreußens, das frühere deutsche Königsberg, war ihr Ziel. Die schillerndsten Figuren des deutschen Rechtspanoptikums machten sich 1993 auf den Weg nach Kaliningrad. Gerhard Frey, Chef der DVU, Dietmar Munier, Kieler Verleger und Kaufmann, und auch Manfred Roeder gaben die Parole heraus, die russische Enklave zu „regermanisieren“.

Zentrum der gezielten Ansiedlung von Deutschen soll das einstige Gestüt Trakhenen sein, heute nur noch eine versteppte Zone. Über ein weitverzweigtes Netz von Sponsoren sammelten sie beträchtliche Summen für ihr Anliegen „Aktion Deutsches Königsberg“. In einem Rundschreiben gaben sie vor zwei Jahren zu, mit der massenhaften Ansiedlung von Rußlanddeutschen in Kaliningrad „neue Fakten für eine deutsche Perspektive unserer Ostprovinz“ zu schaffen.

In den Nordteil Ostpreußens sollen 1995 mehr als 20.000 Rußlanddeutsche eingewandert sein, die oft nicht ganz freiwillig ihre „Heimat“ in Mittelasien verließen. Bis 1991 galt Kaliningrad als militärisches Sperrgebiet. Nach dem Zusammenbruch der großen Industriekombinate waren vor zwei Jahren mehr als die Hälfte der Erwerbsfähigen arbeitslos. Eine ausgezeichnete Ausgangsbasis für Roeder und Kumpane. In Kaliningrad gründeten sie die „Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakhenen“ (GST), deren Stammkapital 1995 mit 500.000 Mark eintragen war. Munier und Roeder kauften damals mehrere Dutzend verfallener Häuser, schafften Traktoren heran, Lastwagen, Baumaterial und Maschinen. Und ließen zugewanderte Rußlanddeutsche zu attraktiven Löhnen ein neues Dorf bauen.

Zunächst wurde das quicke Treiben der Revisionisten in Kaliningrad nicht weiter mit Kritik bedacht. Doch vor zwei Jahren mehrten sich die Proteste. Die Kaliningradskaja prawda warnte vor Roeders Truppe; sie seien „Christen mit Brandstifterplänen“. Die Verwaltung der russischen Stadt an der Ostsee müsse schnell zwischen falschen und wahren Freunden aus Deutschland unterscheiden, „sonst wird unsere Lage gefährlich“, hieß es in dem Blatt. Im vergangenen Jahr reagierte der russische Inlandsgeheimdienst in Zusammenarbeit mit der Gebietsverwaltung von Kaliningrad und verhängte für vier deutsche Rechtsextremisten ein unbefristetes Einreiseverbot. Unerwünscht sind Dietmar Munier und auch Manfred Roeder.

Der russische Geheimdienst soll in seiner Begründung für das Verbot auch eine ganzseitige Anzeige Roeders angefügt haben, die dieser im Juni 1996 veröffentlichte. „Von Kriegsschuld überhaupt zu reden, ist eine moderne teuflische Erfindung“, heißt es darin. Die als „95 Thesen zum Lutherjahr“ deklarierte neonazistische Propaganda wurde von der Südthüringischen Zeitung und der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen veröffentlicht.

Trotz Einreiseverbots lassen Roeder und Gesinnungsfreunde von ihrem Vorhaben in Kaliningrad nicht ab. Sie werben weiterhin für ihre „Regermanisierung“. Der russische Geheimdienst jedoch späht die deutsche Szene aus. Im Kaliningrader Gebiet sollen Informanten eingesetzt und die Post kontrolliert worden sein. Annette Rogalla