■ Al Gores Auftritt beim Klimagipfel in Kioto war eine Enttäuschung
: Heiße Luft

Er kam, sah und ging wieder. Groß waren die Erwartungen an den US-Vizepräsident Al Gore in Kioto gewesen. Manch einer hoffte auf den alten Al Gore, der 1992 mit dem Buch „Wege zum Gleichgewicht“ einen Bestseller schrieb. Hoffte auf einen Durchbruch. Doch der alte Gore ist irgendwo auf dem Weg zur Anwärterschaft zum Präsidentschaftskandidaten auf der Strecke geblieben. Öffentlich wies er seine US-Delegation zu mehr Flexibilität an, sprich: zum Verhandeln. Mehr nicht.

Meinungsumfragen in den USA zeigen, daß inzwischen 62 Prozent Maßnahmen für den Klimaschutz unterstützen, sogar auf die Gefahr hin, daß sie Jobs kosten. Al Gore scheint das nicht beeindruckt zu haben. Die Position der USA ist die gleiche geblieben.

Durch ihr verheerendes Auftreten haben die USA die Verhandlungen immer wieder gefährdet. Zuletzt durch ihre Zustimmung zu dem unverschämten Vorschlag Neuseelands, die Entwicklungsländer sollten sich jetzt mit Wirkung ab 2014 bindenden Wachstumsgrenzen unterwerfen. Dabei hatten die USA vor zwei Jahren selbst zugestimmt, daß die Industrieländer vorausgehen und die Entwicklungsländer zunächst von bindenden Regeln freigestellt bleiben sollen.

Inzwischen sind die Vorbehalte der Entwicklungsländer so groß, daß die EU sich genötigt sieht, vermittelnd einzugreifen, um das Gesamtprotokoll zu retten. Und da liegt das eigentliche Problem. Die EU sollte sich von der bisherigen US-Blockade nicht ins Bockshorn jagen lassen: Auch Gore will und braucht ein Protokoll, nur eben kein so strenges. Doch schon jetzt sieht es so aus, als ob die EU etwa ein frühes verbindliches Ziel für 2005 aufgegeben hat. Auch leicht unterschiedliche Reduktionsziele unter den Industrieländern wurden schon in Aussicht gestellt. Sicher, Kompromisse sind nötig. Doch US-Zugeständnisse blieben bislang aus.

Was ist, wenn zwar ein Minderungsziel irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent bis 2010 herauskommt, das auch die USA mitträgt – am Ende aber das Protokoll so viele Schlupflöcher enthält, daß das Ergebnis real eine Lizenz zum drastisch vermehrten Ausstoß bedeutet? Dann sollte die EU die Verhandlungen lieber scheitern lassen. „Länder, die heute in den Verhandlungen stehen, werden vermutlich nach Wegen Ausschau halten, um der Notwendigkeit zu drastischen Senkungen der Gasemission zu entgehen“, schrieb Al Gore in seinem Ökobestseller 1992. Wie wahr. Matthias Urbach