Feilschen um neues Mandat für Bosnien

Die Garantiemächte des Dayton-Abkommens beraten ab heute in Bonn mit den Repräsentanten der bosnischen Volksgruppen. An einer Ausweitung des Mandats scheint kein Weg vorbeizuführen  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

So wie bisher kann es mit der Umsetzung des Abkommens von Dayton nicht weitergehen. Das ist die fast einhellige Meinung von Vertretern der internationalen Organisationen in Sarajevo. Zwei Jahre nach der Unterzeichnung sind die wichtigsten zivilen Ziele des Abkommens immer noch nicht durchgesetzt. Weder konnten die Vertriebenen in ihre Heimatorte zurückkehren, noch funktionieren das gemeinsame Parlament oder die Regierung.

Vor allem die serbische Seite sei nicht zu den kleinsten Konzessionen bereit, klagte kürzlich der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Carlos Westendorp. Er legte ein 18-Punkte- Programm zur Lösung der wichtigsten Probleme in Bosnien-Herzegowina vor. Und stieß dabei auf Ablehnung bei der serbischen Führung. Alle gutwilligen Kräfte in Bosnien-Herzegowina wünschten sich ein stärkeres Mandat des Hohen Repräsentanten, erklärte dagegen der ehemalige bosnische Premierminister Haris Silajdžić gegenüber unserer Zeitung.

Um ebendieses neue Mandat nun werden die Teilnehmer der internationalen Konferenz ringen, die heute in Bonn beginnt. Der Hohe Repräsentant soll nach den Wünschen vieler Teilnehmer die Mittel erhalten, um die serbische Blockadepolitik zu durchbrechen. Bisher versteht die Führung in Pale die in Dayton vereinbarte Teilung des Landes in die Bosniakisch- Kroatische Föderation und die Republika Srspka als endgültig. Die Serben erklären, die Republika Srpska sei mit dem Dayton-Abkommen zu einer souveränen Teilrepublik geworden, die die Freiheit habe, sich mit der Republik Jugoslawien zusammenzuschließen. Folgerichtig wurden alle Maßnahmen, die zu einer Reintegration des Gebiets in den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina führen sollen, blockiert. Nur die Präsidentin der Republika Srpska, Biljana Plavšić, ließ Kompromißbereitschaft erkennen. Gerade diese Reintegration aber strebt die bosniakisch-muslimische Führung in Sarajevo weiter an. Nachdem auf kroatischer Seite die wichtigsten Hardliner zurücktreten mußten, vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stehen oder gestorben sind, strecken sich auch die Kroaten zunehmend nach der Decke.

Doch vor allem besteht der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft auf der Interpretation des Abkommens von Dayton, beide Entitäten müßten die Oberhoheit des Gesamtstaates akzeptieren. Folgerichtig sollen die Vertriebenen zurückkehren können und die gemeinsamen Institutionen des Staates funktionieren. Der Hohe Repräsentant forderte vom bosnischen Parlament, vor der Bonner Konferenz 18 Punkte umzusetzen: Gesetze über eine gemeinsame Staatsbürgerschaft und gemeinsame Pässe zu verabschieden, gemeinsame Autokennzeichen, eine Flagge und Währung zu schaffen, ein Gesetz über Eigentumsrechte, Zölle und ausländische Investitionen zu verabschieden sowie die Medien und die Polizei zu demokratisieren.

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen müßten umgesetzt werden, in Brčko der multiethnische Status bestätigt werden. Botschaften sollten in Belgrad und Zagreb, ein kroatisches Konsulat in Banja Luka eröffnet werden. Wenn diese Entscheidungen vor dem 8. Dezember nicht getroffen würden, müßte ein neues Mandat für den Hohen Repräsentanten her, war die unausgesprochene Drohung.

Die Gesetze wurden wegen der serbischen Blockade nicht verabschiedet. So hat die Konferenz in Bonn jetzt zu entscheiden. Auf der Grundlage des Annexes fünf und Annexes zehn des Dayton-Abkommens, die dem Hohen Repräsentanten eine Schiedsrichterrolle bei Streitigkeiten zwischen den Parteien einräumen, wird jetzt um neue Formulierungen gerungen werden. Hanns Schuhmacher, Stellvertreter von Carlos Westendorp, erwartet von der Konferenz, daß der Hohe Repräsentant die Möglichkeit erhält, Gesetzesvorlagen qua Verfügung für gültig zu erklären, wenn sie „dem Geist und dem Inhalt des Abkommens von Dayton entsprechen“.

Vor allem in Fragen des Staatsbürgerrechts und der Währung könnten schnelle Entscheidungen erfolgen. „Wirtschafts- und Finanzhilfen von Hunderten von Millionen Mark liegen wegen der Blockadepolitik brach“, erklärte Schumacher in Sarajevo. Doch nicht alle Garantiemächte ziehen an einem Strang. Rußland und Frankreich haben erkennen lassen, daß sie den serbischen Standpunkt, die Teilung Bosnien-Herzegowinas zu betreiben, nicht verdammen. Da auch die Republik Jugoslawien sowie Kroatien in die Verhandlungen einbezogen sind und für eine Erweiterung des Mandats gewonnen werden müssen, sind harte Verhandlungen zu erwarten.