Eine Universitätsveranstaltung älterer Herren

■ Experten eröffnen die Debatte um das neue Hochschulrahmengesetz. Studis nicht gefragt

Bonn (taz) – Worte des Tages sind „Leistung“ und „Wettbewerb“. Hier scheiden sich die Konzepte zur Hochschulreform unvereinbar. Ist die Universität ein „Ort lebenslangen Lernens“ und frei von marktwirtschaftlichen Zwängen, wie ein Juso ausführt? Oder muß jetzt „Effizienzsteigerung“ das Gebot der Stunde sein, wie Hans-Uwe Erichsen glaubt, der vormalige Chef der Rektorenkonferenz. Anders gefragt: Ist Bildung ein Grundrecht? Oder eine Ware, die sich etwa mit „Bildungsgutscheinen“ kaufen ließe?

„Dies ist keine Anhörung wie jede andere“, sagt die Vorsitzende Doris Odendahl (SPD), als sie die Sitzung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft eröffnet. Rund 1.000 Studierende sind aus allen Teilen der Republik angereist, um im Wasserwerk die Experten-Anhörung zum Hochschulrahmengesetz (HRG) zu verfolgen. Ein solches Interesse hat es noch nie gegeben. Trotzdem dauert es fast zwei Stunden, bis studentische Wirklichkeit Einzug hält.

Elf junge Leute erheben sich von ihren Plätzen. Auf ihren weißen T-Shirts fordern sie: „HRG – so nicht“. Die Vorsitzende bittet sie, sich wieder zu setzen. Vier Saalwächter führen die erbosten StudentInnen aus dem Saal. „Wir haben drei Tage lang vor dem Computer verbracht, um einen Gegenentwurf zu schreiben“, echauffiert sich eine. „Und er ist nicht einmal genannt worden.“ Jetzt machen auch die Umstehenden ihrem Ärger über die Anhörung Luft: „Über eine der Hauptforderungen des Studentenprotests, die nach demokratischem Mitspracherecht, wird hier nicht geredet. Das ist eine Veranstaltung älterer Herren!“ Schimpft Markus Schlickmann.

Drinnen im Saal geht derweil die Debatte unter den 19 Männern und vier Frauen auf dem Podium weiter. Der Juso-Vertreter, Tobias Dünow, sagt, „Studiengebühren sind unsozial, frauenfeindlich und verlängern das Studium“. Dem widerspricht Hans-Jürgen Brackmann, der für die Arbeitgeber spricht. Glaubt man ihm, ist „Deutschland nicht länger eine Insel der Glückseligen“ und bedarf der kostenpflichtigen Lehre.

Die meisten der Professoren sind einverstanden mit dem HRG- Entwurf, die Lehre künftig nach Leistungskriterien zu bewerten. Doch nach welchen Maßstäben? Wie kann man nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Lehre beurteilen? Und Michael Daxner, Präsident der Universität Oldenburg, weist darauf hin, daß Indikatoren, die sich auf die Studienzeit beziehen, unsinnig sind – solange nicht eine ausreichende Versorgung mit Bafög gesichert ist.

Die Studenten, die mit großen Erwartungen angereist waren, verließen ab Mittag in Scharen das Wasserwerk. Enttäuscht von der abstrakten Debatte, in der sie sich nicht vertreten fühlten. Das Hochschulrahmengesetz soll im Februar verabschiedet werden. Der studentische Dachverband fzs forderte, die Novelle sofort auszusetzen – und die Studierenden angemessen zu beteiligen. Ariel Hauptmeier