Betbrüder mit blutigen Händen

■ HipHop im Gospelgewand: Im Grünspan gastieren die umstrittenen „Bone Thugs'N'Harmony“

kay, Understatement und Geschmack sind ihre Sache nicht. Als Bone Thugs'N'Harmony für ihr sensationell erfolgreiches letztes Album mit dem Grammy ausgezeichnet wurden, ließen sie sich in einer weißen Kutsche auf die TV-Bühne karren. Und wenn die vier an einem guten Tag die Haare offen tragen, sehen sie aus, als kämen sie gerade vom Pudel-Coiffeur. Leisetreter sind das nicht: Auf ihrer aktuellen Doppel-CD hört man zum Klicken des Gewehrkolbens eine Ansage des ermordeten 2Pac Shakur, der hier – noch bester Laune – die Jagdsaison eröffnet.

Ein martialisches Unterfangen ist dieses Werk, das nach einem alten chinesischen Buch The Art Of War betitelt ist, aber die Begriffe „Kunst“und „Krieg“in eine krause Anordnung bringt. Ob auf dem Hip-Hop-Schinken Gewalt gepredigt oder kritisiert wird, bleibt undurchsichtig. Und die gerne mal in Kriegsbemalung agierenden Bone Thugs'N'Harmony tun wenig, um die Situation zu klären. In Interviews vertreten sie zwar gerne die Strategie des „Fight Without Fight“, also ohne Waffen, einzelne Mitglieder werden aber schon mal wegen Sprengstoffbesitzes von der Polizei eingesackt – und gegen ein Milliönchen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt.

„Ready For War“oder „Wasteland Warriors“lauten die militärischen Titel, die vom Clan aus Cleveland in kunstvollem Singsang gerappt werden. Noch immer sind die Stimmen das große Kapital, und noch immer klingen sie wie Flummis, die die Treppe runterkullern. Der Doo-Wop hat in dieser Vokalakrobatik genauso seine Spuren hinterlassen wie die Gospelmusik. Da paßt es ins Bild, daß Layzie, Krayzie, Bizzie und Wish ihre Erbauungslyrik mit christlicher Emblematik vollstopfen. In einer Zeit, in der der HipHop sich in immer undurchdringlichere spirituelle Systeme aufsplittert, hängen sie einem Privatglauben an, in dem Verlust als sinnstiftendes Moment funktioniert.

Was existentiell notwendig ist bei Musikern, deren Schaffen von Anbeginn durch Tod und Trauer bestimmt wurde: Vor drei Jahren – die Aufnahmen zum Erfolgsalbum E. 1999 Eternal waren gerade im Kasten – starb ihr Mentor und Produzent Eazy-E, außerdem arbeiteten sie nicht nur mit 2Pac Shakur, sondern auch mit dem ebenfalls niedergeballerten Notorius Big zusammen. Und schließlich verstarb vor kurzem Layzies Sohn. Wenn The Art Of War nach 120 Minuten mit dem Requiem „Mo' Thug Family Tree“ausklingt, ist das, als gehe ein blutiger und mit religiösen Sinnbildern bepackter Hongkong-Reißer zuende.

Was durchaus ein Problem ist, denn die von Bone Thugs'N'Harmony besungene Gewalt findet vor wirklichen Haustüren statt.

Christian Buß

Grünspan, 20 Uhr (pünktlich!)