■ Gutachten: Zusammenhang zwischen AKWs und Leukämierisiko
: Täuschungsmanöver

Nunmehr sei wissenschaftlich untermauert, daß es in der Nähe von Atomkraftwerken für Kinder kein zusätzliches Leukämierisiko gebe – so versicherte Bundesumweltministerin Angela Merkel, als sie vor knapp zwei Wochen die großangelegte Leukämiestudie des Mainzer Epidemiologen Professor Jörg Michaelis vorstellte. Doch jetzt stellt sich heraus, daß der Verfasser und die Ministerin die bundesdeutsche Öffentlichkeit gemeinsam getäuscht haben. Nach der Studie müssen Kinder unter fünf Jahren, die in bis zu fünf Kilometer Entfernung von einem bundesdeutschen Atomkraftwerk wohnen, mit einem etwa dreifach höheren Leukämierisiko leben.

Dieser traurige Befund ist keineswegs überraschend. Schon die Vorläuferstudie von Jörg Michaelis hatte 1992 im Nahbereich von AKWs für kleine Kinder ein ähnlich erhöhtes Leukämierisiko festgestellt. Und auch in Großbritannien sind zahlreiche Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, daß zwischen Atomanlagen und dem Blutkrebs bei Kindern sehr wohl ein Zusammenhang besteht. Mehr als befremdlich ist jedoch die Dreistigkeit, mit der Angela Merkel und Jörg Michaelis diese wichtigste Aussage der Studie vertuscht haben. In der Pressemitteilung zu der Studie und auch in ihrer Zusammenfassung wurde das erhöhte Leukämierisiko nicht nur nicht erwähnt, sondern explizit verneint. Erst die Experten, die im Auftrag der Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen die Leukämiefälle um das Atomkraftwerk Krümmel untersuchten, stießen später auf die erstaunlichen Diskrepanzen, die zwischen dem Tabellen- und dem ausführlichen Textteil des Werkes und seiner pressegerechten Zusammenfassung bestehen.

Michaelis selbst gibt jetzt der Presse die Schuld an der falschen Entwarnung: Da sei eben wieder einmal ein komplexes wissenschaftliches Ergebnis in zwei Sätzen und einer Schlagzeile zusammengefaßt worden und so ein falscher Eindruck entstanden. Nur war offenbar für die Schirmherrin der bundesdeutschen Atomindustrie, Angela Merkel, dieser falsche Eindruck, die falsche Entwarnung gerade der Sinn der ganzen Studie. Dafür hat sie Jörg Michaelis und seinem Team Auftrag und Bezahlung zukommen lassen. Und der Mainzer Professor hat nach dem ebenso simplen wie wenig ehrenwerten Motto „Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'“ bei all dem mitgemacht. Jürgen Voges