■ Waldschadensbericht oder Warum Zustände keine Nachrichten sind
: Jenseits von Brent Spar

Je größer ein Problem, desto kleiner die Aufmerksamkeit dafür – und umgekehrt. In einer Zeit, in der Ereignisse in 20-Sekunden-Folgen über die Mattscheiben huschen, hat das langsame Siechtum des Waldes einen geringen Stellenwert in den Medien. Die Bäume fallen ja nicht spontan um und erschlagen dabei womöglich ihre Peiniger in vorbeirasenden Autos oder Güllewagen. Dann wäre die massenweise Präsenz von Kamerateams sicher. Doch immer gleiche Bilder von leicht kahlen Tannenwipfeln sind kein Zuschauermagnet.

Es geht den Wäldern von Jahr zu Jahr ja nur ein bißchen schlechter – und das verkündet der Landwirtschaftsminister denn auch regelmäßig mit Zahlen, die durch ihre Exaktheit suggerieren, das Problem sei klar zu benennen und damit schon irgendwie im Griff zu halten. Optisch ist das Ereignis eine Pleite: Ein paar Männer sitzen vor einer Gruppe Journalisten und zitieren aus einer Studie. Weil sich die Hysterie Anfang der achtziger Jahre als Fehlalarm erwiesen hat, als ein kahles Land innerhalb weniger Jahrzehnte vorhergesagt wurde, lautet die geheime, gefährliche Botschaft: Es wird schon alles nicht so schlimm werden. Machen wir weiter wie bisher. Bis zum nächsten Jahr.

Politik und Medien vereinen sich in einer unseligen Koalition, wenn es um die Darstellung von ökologischen Themen und Problemen geht. Willkommen ist, was akut ist und sich schnell beheben läßt. Besonders begehrt sind auch konkrete Schuldige, die in das beliebte mediale Schema „good guy versus bad guy“ passen. Nur deshalb war der drohenden Versenkung der Ölplattform Brent Spar eine solche öffentliche Resonanz beschieden, während die alltägliche Verdreckung der Nordsee nur in Expertenkreisen diskutiert wird.

Unbeliebt bei Politikern und Medien sind dagegen Probleme, die kompliziert und deren Ursachen vielschichtig sind. Ganz schlecht ist es auch, wenn sie überregional, womöglich global auftreten – wie die Klimaerwärmung. Ebenso widersprechen langsame und langfristige Entwicklungen dem medialen Gebot der Aktualität. Und auf der politischen Bühne haben sie kaum eine Chance auf ernsthafte Beschäftigung – denn wenn Erfolge sichtbar werden, ist die Legislaturperiode schon längst zu Ende.

Vor allem aber sind sowohl Medienleuten als auch Politikern Themen ein Greuel, die unseren Lebensstil in Frage stellen. Denn wenn Zuschauer und Wähler auf die Anklagebank sollen, dann werden sie lieber die Kiste abstellen und ihr Kreuz beim nächsten Mal dort machen, wo man ihnen eine einfache Lösung der Probleme verspricht. Annette Jensen