Kolossale Kleinkrämer

■ Half Japanese schmeißen keine Fernseher aus dem Hotelfenster, trotzdem sind sie Helden des amerikanischen Indie-Rock

Was ist Kleinkunst? Kunst von kleinen Menschen? Oder minder bedeutsame Kunst? Oder Kunst, die nur wenige interessiert? Sollte letzteres zutreffen, wäre Jad Fair einer der ganz großen unter den Kleinkünstlern, denn zusammen mit einer Handvoll meist amerikanischer Musiker gehört er zu jenem langsam aussterbenden Menschenschlag, der seit Jahrzehnten den Globus umkreist, um vor halbgefüllten Teestuben Feinsinniges zu intonieren.

Bei seiner Formation Half Japanese handelt es sich um von Zappa, Hippietum und Kommunismus geprägte Freigeister, deren Leben denkbar wenig mit Rock'n'Roll zu tun hat. Denn wenn sie mal einen Fernseher aus dem Hotelzimmer werfen würden – ganz abgesehen davon, daß in ihren Hotelzimmern nie ein Fernseher steht – wäre die Reisekasse auf Wochen gesprengt. Gut also, daß solch pubertärer Gestus für Jad Fair ohnehin nicht in Frage kommt. Der gehört nämlich, so berichtet ein Mitmusiker vertraulich, zu jenen Menschen, die sich im Supermarkt gern zehnmal anstellen, wenn es etwas Günstiges gibt, von dem pro Kunde nur begrenzte Stückzahlen abgegeben werden.

Trotz solch kleinkrämerischer Mentalität, die ohne Frage sein ganzes System am Leben erhält, zählt der Brillenträger zu den unumstößlichen Ikonen des Gitarren-Untergrunds. Seit 1973 gibt es Half Japanese schon, und zusätzlich zu den elf Band- und sechs Solo-Alben verzeichnet die Diskographie von Jad Fair unzählige Kooperationen mit Verwandten wie Daniel Johnston, Kramer und Eugene Chadbourne. Aber auch Erfolgsmusiker wie John Zorn, J.Mascis von Dinosaur Jr. und Sonic Youth gehören in den Kosmos von Half Japanese – eine Welt, in der Rock, das auffälligste Merkmal der letzten Veröffentlichung, nur eine Laune ist. Und wo nicht gejammert wird. Einmal standen Half Japanese sogar mittendrin im Moloch Rock, damals, als der selige Kurt Cobain, ein bekennender Fan der Band, sie mit auf Nirvanas letzte große US-Tournee nahm. Jad Fair hat überlebt. Das Rezept dazu gibt es hier.

Holger in't Veld

Di, 16. Dezember, 21 Uhr, MarX