Strictly Business

■ Die Erfolgsgeschichte der Rapperin MC Lyte, für die Ökonomie und Botschaft zusammengehören

MC Lyte steckt mittendrin. Aus allen Richtungen des HipHop-Universums strahlt ihr Respekt entgegen, ganz zu Recht natürlich. Wenn es darum geht, die richtig guten und großen Frauen des Fachs zu benennen – ihr Name taucht mit Sicherheit auf. Die New Yorkerin gehört in jenen ehrenwerten Kreis von Künstlerinnen, dem auch Yo Yo und Queen Latifah angehören. Dabei ist MC Lyte nicht Begründerin eines gänzlich neuen HipHop-Entwurfs, ihre Fähigkeit liegt vielmehr in der Verkörperung von Style und Power und Willen. Selbst Neueinsteiger wie Lil' Kim und Foxy Brown haben unmittelbar von ihrer Durchsetzungskraft profitiert. Das alles ist der Rapperin um so höher anzurechnen, da ihre Anfangstage beinahe eine Dekade zurückliegen, sie aber mit ihren 25 Jahren schon sowas wie einen Klassiker-Status besitzt.

Denn – das muß man sich bewußt machen – 1988 gab es noch keine jungen afroamerikanischen Frauen, die schnoddrig und selbstbewußt in Gossen-Rap machten und ihre Songs dazu auch noch gänzlich im Alleingang schrieben. HipHop in den Achtzigern – das war Party- und Initiationsmusik für Jungs, die Männer werden wollten. Frauen hingegen, so traurig das war, nahmen da lediglich als Videohäschen, imposante Stimmwunder oder sexy Telefonstimmen teil. Bei MC Lyte aber wurde noch kein einziges Candlelight-Dinner a la Miki Howard zelebriert, auch wurde kein seidenes Bettlaken als Argument eingesetzt, so wie es Philis Hyman über 20 Jahre lang getan hat, um eine Generation von Soul-Diven in Sachen Charme und weibliches Selbstverständnis anzulernen.

Doch zurück zu MC Lyte: Deren Erfolg basiert vor allem auf familiärer Geschäftstüchtigkeit. In Interviews sitzt ihr immer die Frau Mama zur Seite und wacht über Dramaturgie, Effektivität und Inhalt eines jeden einzelnen Gesprächs. Im Notfall sagt sie auch mal eine Antwort vor.

An der Strategie von MC Lyte wird kein Zweifel gelassen: Message und Ökonomie schließen für sie einander nicht aus, sondern befruchten sich vielmehr gegenseitig. Das erinnert natürlich stark an etablierte Soul-Größen wie Whitney Houston, bei der zu ihrer Aufbauzeit rein gar nichts ohne den Segen der Familie im allgemeinen und den von Mutter Cissy im besonderen lief. So gesehen verknüpft sich bei MC Lyte die Didaktik eines gleichsam auf der Straße erlernten Rap-Handwerks mit den Idealen einer baptistisch geprägten Sippengemeinschaft aus mittelständischen Luxus-Soulern. Da kann es nicht überraschen, daß MC Lytes größter Hit in Europa ausgerechnet ein Song mit einem dreisten „Upside down“-Sample wurde. HipHop führt hier halt häufig nur über die Danceclassic-Schiene zum Hit.

Seit kurzem ist die erfolgreiche Rapperin übrigens auch Restaurantbesitzerin. Dieser reflektierte Wechsel in die konventionelle Wirtschaftlichkeit erinnert an die unnachgiebig verfolgte Fernseh-Karriere von Queen Latifah. Die einstige Vorzeige-Kämpferin verdingt sich seit einiger Zeit in der mäßigen Middleclass-Sit-Com Living Singles. Dort wird sie als superspontanes Babe von der Basis zwar keine TV-Geschichte schreiben, aber immerhin hat sie sich den Quatsch selbst ausgesucht.

Und MC Lyte hat der Erfolg ihres Songs „Cold Rock A Party“für ihre Tour immerhin einen äußerst finanzstarken Sponsor aus der Tabakindustrie beschert. So etwas nennt man dann wohl Selbständigkeit via Product Placement.

Oliver Rohlf

Di, 16. Dezember, 20 Uhr, Markthalle