Kontaktzone Zukunft

■ Until the cows come home: Der Hamburger Choreograph Jan Pusch erforscht auf Kampnagel hierarchische Zeitstrukturen und Rituale des Wartens

Alles unter Kontrolle? Gefaßte Wartende sitzen still und starr und harren der Dinge, die da kommen mögen. Wer wartet, hat – mit etwas Glück – gerade mal sich selbst im Griff. Andere halten die Spannung kaum aus, rennen im Kreis, springen im Quadrat und gehen die Wände hoch. Es nützt nichts. Die Zukunft bleibt stets ungewiß, dem Regulierungsstreben entzogen.

Until the cows come home – aber auch auf die Rückkehr der Kühe sollte man sich nicht verlassen. Das so benannte Tanzstück von Jan Pusch, das am 11. Dezember auf Kampnagel uraufgeführt wird, nimmt das vielschichtige Thema des Wartens unter die Lupe. Es gehe ihm nicht um konkrete Situationen, sagt der Regisseur, Choreograph und Musiker. Er wolle vielmehr den Dingen auf den Grund gehen und die Zeitstruktur und Umgangsformen erforschen, die das Warten bestimmen.

Vorfreude, Bangen, ergebenes Brüten – in der Kontaktzone von Gegenwart und Zukunft werden die unterschiedlichsten Verhaltensweisen gewählt, Rituale entstehen, zeitliche Hierarchien werden sichtbar. Das Jetzt ordnet sich dem Ungewissen unter. Schließlich könnte das Telefon gerade in dem Moment klingeln, in dem die Haustür zuklappt – nur ein Beispiel, denn das Warten kann, muß aber nicht zwanghaft sein.

Vier Tänzer, ein Schauspieler, eine Sängerin und zwei Musiker nehmen sich des Untersuchungsobjekts an. Alle Gattungen arbeiten auf eigene Weise mit der Spannung, mit geweckten Erwartungen, erklärt Jan Pusch. Die Herausforderung bestand darin, die verschiedenen Mittel zu kombinieren, Musik, Tanz und Sprache zu einem Gefüge zu verbinden und einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Mehr noch als in seinen früheren Stücken setzt der Hamburger auf Improvisation. So sind auch die Musiker nicht bloße Begleitung: Sie werden in die Choreographien eingebunden und nutzen die Abzweigmöglichkeiten von ihrem Spezialgebiet, die sich aus der gemeinsamen Präsenz auf der Bühne ergeben.

Zwei Jahre ist es her, daß Jan Pusch mit seinem letzten Stück Scope – Second Hand Memories einen beachtlichen Erfolg verbuchen konnte. Darin, wie in der aktuellen Produktion, beschäftigte er sich mit Bereichen des Alltags – diese Kontinuität läßt er gelten. In der Form beschreitet er dagegen neue Wege: „Ein anderes Thema verlangt weiterreichende Konsequenzen als nur die Musik zu wechseln.“Until the cows come home sei ein Stück geworden, dessen wichtigstes Element der Rhythmus darstelle.

Das Warten – wieviel mehr ist es als das Klopfen mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte? Mal sehen.

Barbora Paluskova

Premiere: Donnerstag, 11. Dezember, 20.30 Uhr, Kampnagel k2