Mehr unbezahlt arbeiten?

■ Werftarbeiterprotest bei Blohm + Voss. Angst vor Entlassungen und Lohnkürzungen bei einer Fusion mit der Kieler HDW

„Wehret den Anfängen“, dachten sich gestern morgen knapp 1000 MetallerInnern der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss (B+V). Zusammen mit 500 Kollegen ihrer Schwesterwerft Thyssen Nordseewerke (TNSW), die in Bussen aus Emden an die Elbe gereist waren, zogen sie vor das B+V-Werkstor im Hafen. Konkreter Anlaß des Protests: Bei B+V tagte der Aufsichtsrat der Konzernmutter „Thyssen-Werften“, um über weitere Lohnkürzungsmodelle an beiden Standorten zu beraten.

Dabei haben die Beschäftigten der beiden Werften bereits Lohnverzicht geübt. Um Entlassungen zu verhindern, stimmten sie vor zwei Jahren einem „Produktivitätsmodell“zu. Dessen Kernpunkt lautet: Wenn das Arbeitsstundenbudget für einen Schiffsneubau überschritten wird, forscht ein Produktivitätsrat nach der Ursache. Ist die Arbeitszeit-Kalkulation nicht wegen Zulieferproblemen, sondern aufgrund von Belegschafts-Schlamperei überschritten worden, werden Teile der Zusatzstunden als „unbezahlte Arbeitszeit“abgeleistet – jedoch nicht mehr als 85 Stunden im Jahr.

Nunmehr soll die Belegschaft nach neuesten Plänen erneut auf 20 Prozent ihres Gehalts – vor allem bei Überstundenzuschlägen – verzichten, um so den Standort zu sichern und Massenentlassungen zu verhindern. IG Metaller Wilfried Albers: „Das sind 800 Mark brutto im Monat." Sehr zum Argwohn der IG Metall haben die Bosse von TNSW unter „massiver Tarifvertragsmißachtung“(Albers) die Einsetzung einer Einigungsstelle erzwungen.

„Wenn das durchgeht, sind wir die nächsten“, glaubt B+V-Be triebsrat Herbert Ötting. Auch bei B+V würde intern bereits eine neue Lohnstruktur diskutiert. Thyssen begründet diese Maßnahmen mit einem Erlösverfall bei den Schiffspreisen. Da alle Möglichkeiten von Vorruhestandsregelungen ausgeschöpft sind, sollen Teile des Weihnachts- und Urlaubsgeldes kassiert werden.

Empörung herrscht zudem unter den B+V- und TSNW-ArbeiterInnen, weil die Werftspitze noch immer keine „Standortgarantien" im Falle einer Fusion mit den Kieler Howaldtswerke/Deutsche Werft (Preussag-Konzern) abgegeben hat. Ötting: „Man hat uns heute erklärt, daß Gespräche stattgefunden haben, die Anfang des Jahres fortgesetzt werden.“Bei einer solchen Gigantenhochzeit, so die Befürchtung des Betriebsrats, könnte wieder eine Großwerft auf der Strecke bleiben und hunderte Werftarbeiter ihren Job verlieren. kva