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: „Die Kultursenatorin hat ihr Wort gebrochen“

Trotzdem ist die Chance für eine öffentliche Diskussion über die Kulturreform noch nicht vertan  ■ 

Ja, sie haben es getan. Die Abgeordneten des Bremer Senats und der Bremer Bürgerschaft haben den Haushalt 1998 verabschiedet und mit ihm die von McKinsey vorgeschlagene neue Struktur der Kulturförderung. In Zukunft werden damit die Kultureinrichtungen auf drei Säulen verteilt: In die Kultur GmbH, den Eigenbetrieb kulturelle Bildung und das Kulturbüro. Unter dem Dach der GmbH werden sich eventverdächtige Einrichtungen wie die Theater, Museen und die großen Musikeinrichtungen tummeln. Volkshochschule, Staatsarchiv und Stadtbibliothek versammeln sich im Eigenbetrieb kulturelle Bildung; und im Kulturbüro die Bürgerhäuser und soziokulturellen Zentren der Stadtteile.

Mit dem im Senat und in der Bürgerschaft gefällten Beschluß hat die Kultursenatorin Bringfriede Kahrs ihr Wort gebrochen. Schließlich versprach sie noch kürzlich, in einen Dialog mit den Vertreterinnen und Vertretern der Häuser einzutreten, die Kritik an den McKinsey-Vorschlägen zu hören. Denn erfolgreiche Veränderungen lassen sich, und das haben auch die Gutachter von McKinsey betont, nicht ohne die Betroffenen herbeiführen. Doch der dem Senatsbeschluß gleich mitgelieferte rasante Zeitplan für die Umsetzung des Drei-Säulen-Modells läßt Diskussionen und strukturelle Veränderungen nun kaum mehr zu.

Schon früh formulierten die Kulturschaffenden ihre Kritik und Skepsis gegenüber den McKinsey-Ergebnissen. Das Bremer Theater trat an die Öffentlichkeit und monierte die unseriöse Arbeit der Gutachter, machte deutlich, daß die Grundlagen, auf denen das Gutachten erarbeitet wurde, falsch waren. Die Volkshochschule sprach sich gegen die neue, schlicht überflüssige Hierarchieebene aus. Sie konstatierte, daß der „neue Kopf“nur mehr und nicht, wie von der Politik und den Gutachtern angestrebt, weniger Geld kosten würde.

Und die kleinen Einrichtungen? Die interessante Manövriermasse, in der nach Aussage des kommissarischen Abteilungsleiters der Kulturbehörde Narciss Goebbel die kulturelle Vielfalt Bremens entsteht? – Das Kulturbüro wird ihnen nicht das seit Jahren eingeklagte Mehr an Planungssicherheit geben und auch ihre Lobby im Rennen um die Tourismusströme kaum stärken. Doch auch die soziokulturellen Einrichtungen tragen Innovationen in die Stadt, machen das Bremer Kulturangebot attraktiver, haben Auge und Ohr am Puls der Zeit. Mit welcher Begründung und nach welchen Kriterien sollen diese Einrichtungen unter einem Vereinsdach zusammengestopft werden? Weil sie für die sogenannten niedrigschwelligen Kulturangebote in den Stadtteilen sorgen und damit einen erheblichen Teil des staatlichen Kulturauftrags abdecken? Weil sie innerhalb Bremens kulturelle Entwicklungs- und Erlebnisräume schaffen? McKinsey gibt darauf keine Antwort. Soweit nur zu einigen Unüberlegtheiten und Schwachstellen der Untersuchung.

Gut eignet sich das Gutachten als Diskussions- und Arbeitsgrundlage. Die Senatorin täte gut daran, sich Raum und Zeit für den von ihr selbst konstatierten Diskussions-, Prüfungs- und Beratungsbedarf zu nehmen. Damit könnte sie bei den Kulturschaffenden vielleicht doch noch ihr mehrmals gegebenes Versprechen einlösen.

Gegen eine Neuordnung der Kulturverwaltung und die Optimierung des wirtschaftlichen Handelns hat unter den Kulturschaffenden niemand etwas einzuwenden. Nur ist nach all den Sparrunden der letzten Jahre nichts mehr zu optimieren. Und, so banal es klingt, sinnvoll sollten die neuen schon Strukturen sein, möglichst viele Betroffene sollten überzeugt und die Kunst- und Kulturarbeit nicht mit Vorschlägen aus dem Wirtschaftshandbuch ad absurdum geführt werden. Mit der von McKinsey angeführten Vorschlägen läßt sich weder Geld sparen noch ein zukunftsweisender innovativer Umbau der Kulturförderung vollziehen.

Eher wird das 1,5 Millionen schwere McKinsey-Gutachten ein Fall für den Rechnungshof. Die Chance für eine öffentliche Diskussion über neue kulturpolitische Ziele und Strukturen, die von den Kulturschaffenden und der Bremer Bevölkerung mitgetragen werden, hängt am seidenen Faden. Frau Kahrs: Nutzen Sie diese Möglichkeit!

Beate Hinkel

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Kulturzentrums Schlachthof und war bis jetzt Chefredakteurin der hauseigenen Zeitung „Zett“