Die geheimen Machtzirkel um Laurent Kabila

■ Im Kongo liegt die wahre Macht weder bei der AFDL noch bei Staatsbeamten oder Ministern. Der Präsident zieht alle Fäden persönlich über ein informelles Netzwerk rivalisierender Beratergruppen

Berlin (taz) – Schon seit seinem Regierungsantritt im Mai 1997 bündelt Kabila mehr und mehr Macht in der Präsidentschaft. So müssen die Vertreter aller Ressorts, Minister wie Technokraten, am Ende eines jeden Tages persönlich bei der Präsidentschaft Bericht ablegen. Die wichtigen Entscheidungen werden dann vom Präsidenten persönlich getroffen. Spricht man Präsidentenberater in Kinshasa auf die Macht eines Ministers an, erwidern sie fast überheblich, man solle mal sehen, „wie klein der ist, wenn er in die Präsidentschaft kommt“. Wenn es um konkrete Aktionen der Regierung geht, hat die Meinung der hohen Staatsbeamten oder der Minister – die sich oft widersprechen – wenig zu bedeuten, sondern erst die Stellungnahme des Präsidenten regelt das weitere Vorgehen.

Die Präsidentschaft ist die einzige Instanz, deren Wort von den verschiedenen Institutionen respektiert wird. Sie besteht neben Kabila selbst aus drei Gruppen von Beratern: Erstens sein eigener Klan, bestückt mit Familienmitgliedern wie sein Neffe Gaetan Kakudji, Gouverneur von Kabilas Heimatprovinz Katanga, und Angehörigen von Kabilas Luba-Volk aus Katanga. Mit ihnen stärkt er seine Hausmacht in Katanga und konzentriert die Macht im Militär mehr und mehr auf die sogenannten „Katanga-Gendarmen“, die früher als Guerillakämpfer im angolanischen Exil lebten und sich 1996 der AFDL anschlossen. Kabila spielt verschiedene Gruppen gegeneinander aus und neutralisiert damit auch solche Führer wie Emile Ilunga, die politisch gegen ihn ausgerichtet sind. Ilunga gehört zum Tetela-Volk aus der Zentralprovinz Kasai, während andere Führungskader der „Gendarmen“ Luba aus Katanga oder auch aus Kasai sind. Die Unterstützung Angolas, das seine regionale Bedeutung ja eben erst mit der erfolgreichen Militärintervention in Kongo-Brazzaville unter Beweis gestellt hat, macht Kabila dieses Vorgehen möglich.

Diejenigen, die noch immer die Brücke zu Uganda und Ruanda schlagen, und die Mitstreiter der ersten Stunde aus dem Krieg gegen Mobutu bilden den zweiten Kreis um Kabila. Sie kommen zum großen Teil aus der Ostprovinz Kivu. Diese Fraktion bleibt meist im Hintergrund und kümmert sich einerseits um die alltägliche Abwicklung der Militärfragen, andererseits um die Bestückung von Geheimdienstposten und anderen entscheidenden Personalfragen, sowie die Mobilität und Sicherheit von Kabila selbst.

Drittens gibt es einen Kreis ehemaliger Mitarbeiter des Mobutu- Regimes; hier hat Kabila einen Teil der Technokraten übernommen und sie zu seinen eigenen Beratern gemacht, da sie das Land kennen. Kabila übernahm letztens sogar Mobutus jahrelangen „Zeremonienmeister“ Sakombi Inongo.

Mit der AFDL, wie sie einst als Befreiungsbewegung der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hat all das wenig zu tun. Schon während des Krieges war die Funktion der AFDL auf die politische Repräsentation als Befreiungsbewegung beschränkt, während die militärische Führung von Ugandern, Ruandern und Angolanern beziehungsweise der dort ausgebildeten zairischen Exilanten geleistet wurde. Bisher hat Kabila keinen direkten Einfluß auf die Militärführung, sondern übt die Kontrolle indirekt aus, indem die gesamte Transportlogistik und Finanzen direkt der Präsidentschaft untergeordnet sind und über seinen persönlichen Schreibtisch gehen. Er entscheidet selbst zum Beispiel über die Verteilung der 40.000 umgeschulten und in die neue Armee integrierten ehemaligen Mobutu- Soldaten. Das geht, weil die einzige funktionierende Transportmöglichkeit im Kongo der Luftweg ist und es reicht, die Flugpläne dem Präsidenten unterzuordnen.

Nach der Verhaftung von Masasu bestätigte Kabila erstmals offiziell, daß die Militärführung des Kongo in der Hand des Kommandanten James Kabare liegt – ein in Uganda aufgewachsener Tutsi, der von 1994 bis 1996 Ruandas Militärgeheimdienst leitete. Kabila scheint sich also von seiner Schutzmacht Ruanda lösen zu wollen. Da er nämlich zugleich klarstellte, daß es sich bei Kabare um eine „vorläufige“ Besetzung des Postens handele, setzte er sich möglicherweise absichtlich dem Druck der unzufriedenen Bevölkerung aus, endlich einen Kongolesen an die Militärspitze zu setzen. Werner Finkenthal