Neben Kabila ist kein Platz mehr

In der Demokratischen Republik Kongo hat die ehemalige Rebellenallianz AFDL ausgedient. Präsident Kabila zentralisiert die Macht und entmachtet Mitstreiter  ■ Von Werner Finkenthal

Berlin (taz) – Die „Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung des Kongo“ (AFDL), die im Mai das Mobutu-Regime in Zaire stürzte und die Demokratische Republik Kongo ausrief, hat sich überlebt. Es mehren sich die Zeichen, daß die gesamte Macht unter einer Person konzentriert wird – Staatspräsident Laurent-Désiré Kabila. Als die AFDL im Oktober 1996 gegründet wurde, war Kabila nur eine von vier Führungsfiguren. Aber von den anderen dreien – André Kisase, Masasu Nindaga und Déogratias Bughera – wurde Kisase bereits im Januar umgebracht, nach Aussage seiner Anhänger unter Beteiligung Kabilas; und Masasu wurde am 24. November auf Befehl Kabilas inhaftiert.

Dem 27jährige Masasu wurde vorgeworfen, das Militär zu ethnisieren, in der Ostprovinz Kivu eine Rebellion geplant zu haben und Marihuana zu rauchen. Masasu, Sohn eines Angehörigen des Shi- Volkes aus der ostkongolesischen Stadt Bukavu und einer ruandischen Tutsi-Mutter, hatte Zaire 1992 verlassen und sich in Uganda der damaligen ruandischen Guerilla RPF angeschlossen. Nachdem diese 1994 die Macht in Ruanda übernahm, war Masasu nach Aussagen seiner Familie mitverantwortlich für die Planung des ruandischen Militärschlags gegen Zaire im Oktober 1996. Den Bewohnern seiner Heimatstadt Bukavu, Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu, ist er bekannt als die Person, die damals die erste öffentliche Erklärung nach der Einnahme der Stadt abgab, noch bevor die AFDL in Erscheinung trat.

Masasu wird von den Menschen des Süd-Kivu sehr geschätzt, da er sich kompromißlos gegen Korruption und diktatorische Strukturen einsetzt. So sorgte er für bemerkenswerte Ordnung innerhalb des Militärs und der zivilen Verwaltung. Er nahm sich im Oktober 1997 der Mayi-Mayi-Rebellion lokaler Milizen im Osten Kongos an und erzielte wegen seiner Akzeptanz großer Verhandlungserfolge. Seine Leibgarde rekrutierte er aus dem ganzen Land, und er integrierte als Zeichen des guten Willens in seine Ränge auch Mayi-Mayi-Kämpfer, die bereit waren, die Rebellion zu verlassen. Es ist kein Geheimnis, daß Masasu sich gegen die Zentralisierung der Macht in den Händen Kabilas wehrte.

Nach Masasus Verhaftung bleibt von den vier Mitgründern der AFDL neben Präsident Kabila nur noch Generalsekretär Bughera übrig, ein Tutsi aus dem ostkongolesischen Nord-Kivu, der aber nun fürchten muß, das nächste Opfer zu sein. Bughera nennt Masasus Verhaftung ein Mißverständnis, das schnell geklärt werde. Kabila konterte kurz darauf, daß Masasu ein ruandischer Korporal sei, der nie höhere militärische Funktionen ausgefüllt habe.

Solche Meinungsverschiedenheiten werfen die Frage auf, wer in der AFDL überhaupt noch etwas zu sagen hat. Wenn außer Kabila die Gründer der AFDL nichts mehr zu sagen haben, bringt das besonders im Osten des Kongo Probleme mit sich. Hier hat die einstige Rebellenallianz ihre tiefsten Wurzeln; von hier aus war sie vor über einem Jahr ausgegangen, basierend auf dem Aufstand der Banyamulenge-Tutsi gegen ihre Vertreibung.

Seit der Verhaftung von Masasu werden alle wichtigen Vertreter der AFDL in Bukavu gesucht und müssen sich verstecken. Auf Flugblättern werden AFDL-Soldaten zur Meuterei gegen die Regierung aufgefordert. Bisher wird das nicht befolgt, aber bereits die Verhaftung Masasus erfolgte inmitten einer neuen Krise in dieser unruhegeplagten Region.

Eigentlich hatte es vorher so ausgesehen, als würde das Bürgerkriegsgebiet im Osten Kongos zum Frieden finden. Ende Oktober zog Ruandas Armee aus der Provinz Süd-Kivu um Bukavu ab – Ergebnis von Verhandlungen unter der Führung Masasus mit den örtlichen Mayi-Mayi-Rebellen, die gegen die ruandische Militärpräsenz gekämpft hatten. Dann jedoch wurden die Mayi-Mayi nicht wie versprochen in das reguläre Militär integriert, sondern statt dessen flogen neue Militäreinheiten aus der Südprovinz Katanga, Heimat des Präsidenten Kabila, ein und schlugen die Mayi-Mayi zurück. Die Verhaftung Masasus verstärkte noch diesen Rückwärtstrend.

Derzeit spitzt sich die Lage im Kivu daher erneut zu. Die Mayi- Mayi sind mittlerweile wieder bis auf 20 Kilometer vor Bukavu vorgerückt. Die reguläre Regierungsarmee versucht, durch Inbrandsetzen des Regenwaldes die Rebellen „auszuräuchern“. Die Rebellen haben sich umstrukturiert, und es bildet sich immer mehr eine einheitliche Kommandostruktur heraus, die die gesamten Rebellionen in der Gegend vereint: Soldaten der früheren Hutu-Armee von Ruanda, restliche ruandische Hutu- Milizionäre, übriggebliebene Soldaten der alten zairischen Armee, ugandische Rebellen sowie Mayi- Mayi-Rebellen.

In Reaktion darauf intervenieren auch die Nachbarländer wieder. Beobachter sprechen von 25.000 Militärs aus Ruanda, Uganda, Burundi und Katanga, die in der schwer zugänglichen Berg- und Urwaldregion an Kongos Ostgrenze vom Tanganyika-See im Süden bis zu den Ruwenzori-Bergen an der Grenze zu Uganda gegen ebenso viele Guerilleros kämpfen. Das letzte Wort im kongolesischen Machtkampf ist noch nicht gesprochen.