NS-Opfer als Sparopfer

■ Beck: „Waigel schränkt Entschädigung ein“. Kommunisten gehen möglicherweise leer aus

Berlin (taz) – Die geplante Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz soll noch in der nächsten Woche geregelt werden. Dabei wolle das Bundesfinanzministerium die Zahl der Berechtigten weiter einschränken, sagte Volker Beck, der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, der taz.

In dem Erlaß des Ministeriums, der noch nicht öffentlich bekannt ist, würden zahlreiche Opfer von der Entschädigung ausgeschlossen. Nach Becks Angaben sollen Hinterbliebene von Opfern, die vor Inkrafttreten des Erlasses gestorben sind, keine Zahlungen erhalten. Auch Kommunisten und Kriegsdienstverweigerer, die ihre Waffen schon vor Kriegsbeginn niederlegten, gingen leer aus.

Ungeklärt sei noch, ob Deserteure, die auch wegen anderer Straftaten verurteilt worden waren, ebenfalls ausgeschlossen werden. „Das könnte homosexuelle Soldaten treffen oder Soldaten, die auf der Flucht zum Beispiel ein Fahrrad gestohlen haben“, sagte Volker Beck. Nur wenn ein Soldat neben der Desertation eine – auch nach rechtsstaatlichen Maßstäben – schwere Straftat begangen habe, dürfte er nach Ansicht der Grünen keine Entschädigung erhalten. Nach dem neuen Erlaß ist der Kreis der entschädigungswürdigen Opfer kleiner als noch im Mai vom Bundestag beschlossen.

Die Grünen-Fraktion forderte gestern im Rechtsausschuß einen Bericht des Finanzministeriums. Mit den Stimmen der Koalition wurde das verhindert. Ein Erlaß dürfe erst diskutiert werden, wenn er vom Kabinett verabschiedet sei, sagte der Abgeordnete Norbert Geis für die Koalition.

Diese Argumentation komme einer „Selbstkastration des Rechtsausschusses“ gleich, kritisierten die Grünen. Die Sozialdemokraten, die noch im Mai den Beschluß des Bundestages mitgetragen hatten, enthielten sich der Stimme. „Jetzt droht eine Entschädigungsregelung, für die man sich schämen muß“, sagte Volker Beck. Sascha Borrée