Wer nicht spurt, muß gehen

■ Bosnien-Beauftragter darf widerspenstige Bosnier entlassen, um das Abkommen von Dayton umzusetzen. Serbische Politiker verließen bereits vorher die Bonner Konferenz

Bonn (AFP/AP/taz) – Die internationale Bosnien-Konferenz in Bonn ist gestern mit einer Stärkung des Mandats des internationalen Bosnien-Beauftragten Carlos Westendorp zu Ende gegangen. Um die Verwirklichung des Dayton-Abkommmens auch gegen den Widerstand einzelner Politiker durchsetzen zu können, legt Westendorp zukünftig „Zeitpunkt, Tagungsort und Vorsitz von Sitzungen der gemeinsamen Institutionen“ fest und erhält die Macht, widerspenstige Bosnier zur Mitarbeit in den im Friedensvertrag vorgesehenen gesamtbosnischen Institutionen zu zwingen.

Nach eigenem Ermessen darf der Hohe Beauftragte zukünftig Schritte einleiten „gegen Personen, die öffentliche Ämter ausüben, oder gegen Funktionsträger, die ohne nachvollziehbaren Grund Sitzungen fernbleiben oder nach Auffassung des Hohen Beauftragten gegen rechtliche Verpflichtungen nach dem Friedensübereinkommen oder den Bedingungen für seine Umsetzung verstoßen.“

Westendorp nannte diesen Beschluß gestern einen „Wendepunkt“ bei der Umsetzung des Dayton-Abkommens. Er ist nun effektiv in der Lage, sein Mandat so weitgehend auszulegen, daß er unter dem Schutz der SFOR- Streitmacht Entscheidungen notfalls allein durchsetzen oder Quertreiber aus den Ämtern jagen kann. Wenn etwa bis zum 31. Januar 1998 sich Muslime, Serben und Kroaten in der Frage gemeinsamer Kfz-Kennzeichen nicht einigen können, werde Westendorp von sich aus einheitliche Kennzeichen einführen, wurde auf der Konferenz ausgeführt. Auch in anderen gesamtstaatlichen Fragen wurden Fristen gesetzt. In dem Abschlußdokument wird ferner gefordert, daß alle wegen Kriegsverbrechen angeklagten Personen dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt werden. Außerdem wird eine uneingeschränkte Förderung der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen verlangt.

Eine Mandatserweiterung für Westendorp haben immer wieder jene bosnischen Politiker gefordert, die eine Teilung des Landes ablehnen – vor allem in der bosnischen Regierung in Sarajevo. Paradoxerweise ist diese nun das erste Opfer der härteren Gangart. In Bonn wurde bekannt, daß die internationale Gemeinschaft den bosnischen Außenhandelsminister Mirsad Curtovic nicht mehr als Delegationsleiter akzeptieren wird. Curtovic wird für die illegale Umleitung von Hilfsgeldern verantwortlich gemacht.

Die Mandatserweiterung ist jedoch hauptsächlich eine Reaktion auf die teils versteckte, teils offene Sabotage des Aufbaus funktionsfähiger gesamtbosnischer Institutionen vor allem durch die bosnischen Serben, die unter anderem bisher etwa gemeinsame Pässe oder eine gemeinsame Währung ablehnen.

Was die davon halten, wurde gestern schon am Vormittag klar, als die Delegation Jugoslawiens aus Protest gegen die vor allem von Deutschland gewünschte Erwähnung Kosovos im Abschlußdokument die Konferenz verließ und die bosnischen Serben – darunter auch die Präsidentin der Republika Srpska, Biljana Plavšić – aus Solidarität auch gingen. Sie drückten sich damit erfolgreich auch um die Mitunterzeichnung des Abschlußdokuments.

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