Blindflug durch die Hamburger Wirtschaft

■ Datenchaos und Wachstum: Landesbank spielt mit Nonchalance den Fluglotsen

Wirtschaftsanalytiker in ganz Europa müssen darben: Der Datensalat aus den verschiedensten statistischen Ämtern bleibt aus oder erweist sich als ungenießbar. Für Hamburg gibt es von 1995 noch überhaupt keine vernünftigen Wirtschaftsdaten.

Dennoch legte gestern die Hamburgische Landesbank mit gewohnter Nonchalance ihre Analyse der Wirtschaftsentwicklung Hamburgs im 1. Halbjahr 1995 vor. Die Botschaft: Es geht weiter aufwärts, der hohe Dollar ist kaum ein Problem. Das Gejammere von Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus, Deutscher Airbus und Körbers Hauniwerken spiegelt die Gesamtentwicklung der Wirtschaft nicht wider. Landesbankchef Werner Schulz: „Unsere Informationen aus erster Hand zeichnen ein positives Bild. Von einem wechselkursbedingten Konjunktureinbruch kann nicht die Rede sein.“

Im Gegenteil: Erstmals seit Jahren brummen in Hamburg nicht nur die produktionsbezogenen Dienstleistungen wie EDV, Medien oder Consulting und der Verkehrssektor – auch mit der Industrie geht es bergauf. Die Stahlwerke laben sich an einer Extra-Konjunktur, die Maschinenbauer Still und Jungheinrich jubeln über fette Auftragszuwächse, die Elektrotechnik findet keinen Grund zur Klage. Allein Baugewerbe (die Boomtown bremst ab) und Einzelhandel (kein Kaufrausch) geht es nicht so gut.

Um dies herauszufinden, brauchten die Jungs und Mädels von der volkswirtschaftlichen Abteilung der Landesbank diesmal mehr den Telefonhörer als die Lupe: Durch eine europaweite Umstellung der Wirtschaftsdaten sind die gewohnten Angaben der statistischen Ämter ausgeblieben. Was dennoch an Zahlen durchtröpfelt, kann mit den Vorjahreszahlen nicht mehr verglichen werden. „Erst 1998“, so fürchtet ein Insider, „werden wir mit den Zahlen wieder vernünftig arbeiten können.“

Beim „Blindflug“ durch die Wirtschaftsentwicklung, so Werner Schulz, hat zumindest die Landesbank den totalen Durchblick: „Die Lage ist besser als die Stimmung.“ Hamburgs Wirtschaft werde 1995 um 2, 1996 gar um bis zu 3 Prozent wachsen. Nur die Arbeitslosen haben nichts davon: Bestenfalls ein Ende des Anstiegs der Arbeitslosenzahlen sei zu erwarten.

Florian Marten