■ QUERBILD
: Forget Paris

Irgendwo in New York, in einem unspektakulären Restaurant, befindet sich der Ort, dessen Existenz wir schon lange verworfen haben, der Ort, an dem Gemeinschaft und Freundschaft noch intakt sind. In Billy Crystals Komödie Forget Paris wird hier das noch nicht vermählte Pärchen 1 von den eingespielten Ehepartien 2 und 3 durch die Erzählung der Geschichte des zukünftigen Paares 4 auf den Bund des Lebens vorbereitet. Als einzige, die den Ehe-Verlauf der Gordons (Billy Crystal und Debra Winger als Nummer 4) nicht kennt, nimmt die Verlobte Liz (Cynthia Stevenson) die Position der naiven Zuschauerin ein, verwechselt ihre Identität mit der der Protagonistin und klammert sich an die – zuschauergerecht mit Bildern unterlegte – Geschichte, als müßte uns jemand zeigen, wie turbulent sie ist. Sichtlich erschüttert darüber, daß man ihr etwas verheimlichen will, unterbricht sie die Geschichte mittendrin: „Was, da gab es noch ein Kind?“, springt sie ihrem Zukünftigen an die Gurgel, stampft und schreit, heult und kreischt über 101 Kinominuten, bis sich die tatsächlich eher gewöhnliche Ehegeschichte der Gordons mit deren Ankunft ihm Restaurant endlich zu Ende erzählt hat. Gemäß seinem Label als Beziehungskomödie versucht der Verleih, Forget Paris, wie man es auch schon mit Nora Ephrons Sleepless in Seattle tat, durch den Vergleich zu Harry und Sally von Rob Reiner zu vermarkten. Die beiden Filme aus den 90er Jahren aber versehen eine einfache Liebesgeschichte, die Harry und Sally ja war, mit einer zweiten und reflektierenden Ebene, die sich bei Sleepless in Saettle mit der Wahrnehmung klassischer Liebesfilme und bei Forget Paris mit der Wahrnehmung anderer Ehen beschäftigt. Forget Paris gibt dabei keiner der beiden Ebenen den Vorzug, da er sich nicht als unglaubwürdiges Artefakt verstehen will, sondern vor allem als Beobachter unserer komplizierten und vielschichtigen Realität. Doch die ist zum Glück künstlicher als der Film! Isa Ostertag