Interview: Subjekt Schüler
■ Kurt Edler, schulpolitischer Sprecher der GAL, über Leistung und Schule
Ein Plädoyer für mehr Leistung in der Schule hielt der schulpolitische Sprecher der GAL-Fraktion, Kurt Edler, im neuen Spiegel special zum Thema „Kinder, Kinder - Erziehung in der Krise“. Die taz befragte den 45jährigen Wirtschaftsgymnasiallehrer, der sein Studium im Geiste von 1968 begann, was ihn dazu bewegte.
taz: Sie vertreten mit ihren Thesen „Kinder lieben Leistung“ oder „Erfolg stärkt Selbstbewußtsein“ Ideen, wie sie in jedem konservativen Bildungsprogramm stehen könnten. Sind sie in der falschen Partei?
Kurt Edler: Nein. Ich fühle mich mit diesem Denken bei den Grünen gut aufgehoben. Grüne Bildungsprogrammatik schließt den Leistungsbegriff nicht aus. Leistung aber nicht im Sinne von Ausgrenzung, sondern humane und pädagogisch verwertbare Leistung.
Wie soll das konkret aussehen? Ist Leistung nicht immer mit Konkurrenzdenken und Abgrenzung verbunden?
So ist das Leben. Meine Erfahrungen sind die, daß Schüler von heute gering belastbar sind und eine niedrige Frustrationsschwelle haben. Der Lehrstellen- und der Arbeitsmarkt fordern aber etwas anderes.
Sind wieder preußische Tugenden gefragt?
Nein. Die heutige Industriegesellschaft stellt aber enorme Anforderungen an die Arbeitssuchenden. Es wäre deshalb verantwortungslos, wenn man die Jugendlichen nicht darauf vorbereitete. Nicht aber durch preußische Tugenden, wie Unterwerfung und Härte, sondern durch Erziehung zur Selbstverantwortung. Selbstbewußtsein und Selbststeuerung sind gefragt.
Was ist humane Leistung?
Der Schüler muß zum Subjekt gemacht werden. Traditionelle Schule macht ihn unmündig und lernunlustig. Schüler sollen den Unterricht selbst mitgestalten können. Ändern müßte sich auch unsere „Fehler-Kultur“. Fehler dürfen nicht mehr verteufelt werden, sondern man sollte produktiver damit umgehen, um daraus zu lernen. Eine Leistungsauslese darf erst am Ende eines Bildungsganges stehen. Bis dahin sollten aber alle Jugendlichen erst einmal dieselben Lernchancen haben. Die heutige Selektion im Alter von zehn Jahren ist grausam und spaltet die Gesellschaft. Außerdem sollten die Schüler lernen, sich selbst zu prüfen, sich Lernziele zu stecken und ihre eigene Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Das sollte nicht dem Lehrer mit seinen Noten überlassen bleiben.
Sind Noten dann überflüssig?
Nein. Nur die reine Ziffernote sagt nichts aus. Sie muß erläutert werden in Entwicklungsberichten, an denen Schüler und Eltern beteiligt werden wie das zum Beispiel in Dänemark passiert.
Fragen: Patricia Faller
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