Selbstbezogener Mumpitz

■ Heute: 125ste und letzte „Peter Ehrlich Show“ vor der Sommerpause im Offenen Kanal

Auf der Kippe zwischen hoffnungsvoller Ungeduld und einem wohlgesetzten, strohfeurigen Wutausbruch spricht ein in alle Richtungen aufgelegter Mensch in eine Kamera des Offenen Kanals. Jeden Dienstag zwischen 20 und 21 Uhr zieht dieser Peter Ehrlich seine Zuschauer vor den Bildschirm.

Die rufen ihn unter einer während der ganzen Sendung eingeblendeten Telefonnummer im Studio an. Die Telefonate, bei denen Ehrlich sie in die Leitung zurückschubst oder listig mit ihnen flirtet, während die Anrufenden dasselbe mit ihm versuchen, bilden seit zweieinhalb Jahren das Filetstück der Peter Ehrlich Show.

Ehrlich hat über die Zeit eine unverwechselbare Persönlichkeit entwickelt: Als Journalist hätte er mit seiner Art, auf aggressive, tragikomische Art die Selbstbezogenheit zu ihrem Recht kommen zu lassen, den in den 70er Jahren aufgekommenen Begriff des „Gonzo“-Journalismus mitgeprägt. Nicht nur weil er früher Kabarett gemacht hat, erinnert Peter Ehrlich außerdem an die durch Jango Edwards bekanntgewordene Figur des „Fool“. Schließlich übernimmt er, das bringt der Aufenthalt in der Kulturlandschaft so mit sich, auch den Part eines Alltagsaufmischers, welcher anderen plattpsychologisch ein „Ventil“ darstellt.

Wenn ihn Fans oder Feinde anrufen und den Fool, das Ventil oder eben Gonzo erleben, gelten auf Sendung ein paar Bedingungen: Jedes Thema läßt sich über Telefon mit großer Geschwindigkeit erörtern. Nicht weil Ehrlich danach strebt, die mit Internet und Daten-Autobahn erreichten Beschleunigungen modernitätsbewußt auf seine Sendung zu übertragen. Vielmehr will er zwischen den Requisiten einer nach 124 Sendungen ab und zu von Erstarrung bedrohten, guten Idee nicht langsam werden. Die Geschwindigkeit ist ihm ein Mittel, sich auch dann wach und bei klarem Verstand zu halten, wenn uns die Themen allmählich ausgehen und wir länger als ein paar Augenblicke lang vergessen, ob, wofür oder wogegen wir kämpfen sollen.

Die mit „Hallo Anrufer!“ Gegrüßten müssen seine Übersetzung des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Widerstand kennen, nämlich die Pflicht zum Angriff auf den Moderator. Peter Ehrlich macht sich pro Sendung zum Affen. Dafür signalisiert er seinem Publikum, daß es sich weder höhnisch über ihn erhöhen muß noch mit einem Anruf neue Kumpelfreundschaften geschlossen werden können. Es zählt, einzig ihm, Peter Ehrlich, nahezurücken, klammheimliche Freuden auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen.

Die letzte Bedingung betrifft das Geheimnis, welches in einem Anruf bei der Peter Ehrlich Show steckt. Denn wenn sich wieder ein Zuschauer oder eine Zuschauerin mit erhöhtem Pulsschlag durchstellen läßt, hört Peter Ehrlich unter Umständen ein paar Worte gesprochene Weltliteratur. Die Anrufenden sind auf eine konstruktive Art überfordert, vordergründig vergleichbar den jungen Pop-Fans, die bei der Begegnung mit einem ihrer Idole den Mund nicht mehr aufkriegen. Der Unterschied in der Begegnung mit dem Star liegt darin, daß die Anrufenden ahnen, daß sie selber Stars werden – allerdings ohne das aushalten zu können.

Ihrem Verlangen nach Größe steht eine tiefe Unsicherheit entgegen. Sie wissen, was in ihnen steckt, aber gerade deshalb geben sie Mumpitz von sich. Selten dokumentierte eine Sendung so eindrücklich, wie Sprachgewalt Sprachlosigkeit hervorbringt. Anders gesagt: Das Geheimnis eines Anrufs bei der Peter Ehrlich Show ist, daß die Anrufer sich ihrer Nichtbereitschaft gewahr werden, die Indifferenz gegenüber sich selbst aufzugeben. Da ergeben sich immer wieder mal wahrhaft große Momente.

Ein solcher steht auch mit der 125sten Sendung bevor: Karl S. Blume and die Magic Quells, diese Hamburger Musiker vor dem Herrn der Jagdhunde, werden auftreten. Der Initiator des Unternehmens, der visionäre Ideenlieferant Björn Steffens, schaut vorbei. In den nächsten Monaten klärt sich, wie es mit der Peter Ehrlich Show weitergeht.

Kristof Schreuf

Heute im Offenen Kanal, 20 Uhr.

Die Geschwindigkeit ist ihm ein Mittel, sich auch dann wach und bei klarem Verstand zu halten, wenn uns die Themen allmählich ausgehen und wir länger als ein paar Augenblicke lang vergessen, ob, wofür oder wogegen wir kämpfen sollen.

Die mit „Hallo Anrufer!“ Gegrüßten müssen seine Übersetzung des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Widerstand kennen, nämlich die Pflicht zum Angriff auf den Moderator. Peter Ehrlich macht sich pro Sendung zum Affen. Dafür signalisiert er seinem Publikum, daß es sich weder höhnisch über ihn erhöhen muß noch mit einem Anruf neue Kumpelfreundschaften geschlossen werden können. Es zählt, einzig ihm, Peter Ehrlich, nahezurücken, klammheimliche Freuden auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen.

Die letzte Bedingung betrifft das Geheimnis, welches in einem Anruf bei der Peter Ehrlich Show steckt. Denn wenn sich wieder ein Zuschauer oder eine Zuschauerin mit erhöhtem Pulsschlag durchstellen läßt, hört Peter Ehrlich unter Umständen ein paar Worte gesprochene Weltliteratur. Die Anrufenden sind auf eine konstruktive Art überfordert, vordergründig vergleichbar den jungen Pop-Fans, die bei der Begegnung mit einem ihrer Idole den Mund nicht mehr aufkriegen. Der Unterschied in der Begegnung mit dem Star liegt darin, daß die Anrufenden ahnen, daß sie selber Stars werden – allerdings, ohne das aushalten zu können. Ihrem Verlangen nach Größe steht eine tiefe Unsicherheit entgegen. Sie wissen, was in ihnen steckt, aber gerade deshalb geben sie Mumpitz von sich. Selten dokumentierte eine Sendung so eindrücklich, wie Sprachgewalt Sprachlosigkeit hervorbringt. Anders gesagt: Das Geheimnis eines Anrufs bei der Peter Ehrlich Show ist, daß die Anrufer sich ihrer Nichtbereitschaft gewahr werden, die Indifferenz gegenüber sich selbst aufzugeben. Da ergeben sich immer wieder mal große Momente.

Ein solcher steht auch mit der 125sten Sendung bevor: Karl S. Blume and die Magic Quells, diese Hamburger Musiker vor dem Herrn der Jagdhunde, werden auftreten. Der Initiator des Unternehmens, der visionäre Ideenlieferant Björn Steffens, schaut vorbei. In den nächsten Monaten klärt sich, wie es mit der Peter Ehrlich Show weitergeht. Kristof Schreuf

Offener Kanal, 20 Uhr.

Autobahn erreichten Beschleunigungen modernitätsbewußt auf seine Sendung zu übertragen. Vielmehr will Ehrlich nicht zwischen den Requisiten einer nach 124 Sendungen ab und zu von Erstarrung bedrohten, guten Idee langsam werden. Die Geschwindigkeit ist ihm ein Mittel, sich auch dann wach und bei klarem Verstand zu halten, wenn uns die Themen allmählich ausgehen und wir länger als ein paar Augenblicke lang vergessen, ob, wofür oder wogegen wir kämpfen sollen.

Die mit „Hallo Anrufer!“ Gegrüßten müssen seine Übersetzung des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Widerstand kennen, nämlich die Pflicht zum Angriff auf den Moderator. Peter Ehrlich macht sich pro Sendung zum Affen. Dafür signalisiert er seinem Publikum, daß es sich weder höhnisch über ihn erhöhen muß noch mit einem Anruf neue Kumpelfreundschaften geschlossen werden können. Es zählt, einzig ihm, Peter Ehrlich, nahezurücken, klammheimliche Freuden auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen.

Die letzte Bedingung betrifft das Geheimnis, welches in einem Anruf bei der Peter Ehrlich Show steckt. Denn wenn sich wieder ein Zuschauer oder eine Zuschauerin mit erhöhtem Pulsschlag durchstellen läßt, hört Peter Ehrlich unter Umständen ein paar Worte gesprochene Weltliteratur. Die Anrufenden sind auf eine konstruktive Art überfordert, vordergründig vergleichbar den jungen Pop-Fans, die bei der Begegnung mit einem ihrer Idole den Mund nicht mehr aufkriegen. Der Unterschied in der Begegnung mit dem Star liegt darin, daß die Anrufenden ahnen, daß sie selber Stars werden – allerdings, ohne das aushalten zu können. Ihrem Verlangen nach Größe steht eine tiefe Unsicherheit entgegen. Sie wissen, was in ihnen steckt, aber gerade deshalb geben sie Mumpitz von sich. Selten dokumentierte eine Sendung so eindrücklich, wie Sprachgewalt Sprachlosigkeit hervorbringt. Anders gesagt: Das Geheimnis eines Anrufs bei der Peter Ehrlich Show ist, daß die Anrufer sich ihrer Nichtbereitschaft gewahr werden, die Indifferenz gegenüber sich selbst aufzugeben. Da ergeben sich immer wieder mal große Momente.

Ein solcher steht auch mit der 125sten Sendung bevor: Karl S. Blume and die Magic Quells, diese Hamburger Musiker vor dem Herrn der Jagdhunde, werden auftreten. Der Initiator des Unternehmens, der visionäre Ideenlieferant Björn Steffens, schaut vorbei. In den nächsten Monaten klärt sich, wie es mit der Peter Ehrlich Show weitergeht. Kristof Schreuf

Offener Kanal, 20 Uhr.