Kündigung zur Silberhochzeit

■ Wohnprojekt Hayn-/Hegestraße feiert 25jähriges Bestehen Von M. Reimers

Eine riesige rote Schleife aus Gaze ziert seit gestern nachmittag das Haus Haynstraße 1-3/Ecke Hegestraße 41. Hier ist keineswegs Christo am Werk, das Verpacken erledigen die BewohnerInnen von Hamburgs ältestem selbstverwalteten Wohnprojekt selbst: Schmuck für das öffentliche Hausfest, das heute ab 15 Uhr im und vorm Haus mit Spielen und Abendprogramm, Essen und Trinken stattfindet.

Vor einem Vierteljahrhundert sollte das 1912/13 erbaute „hochherrschaftliche Etagenhaus“ abgerissen werden. Studenten wurden als „mobile Zwischenmieter“ in den Wohnungen untergebracht; sie sollten nur bis zum geplanten Abbruch bleiben. Einige wohnen heute noch hier und studieren schon lange nicht mehr. Auch Reinhard Barth gehört von Anfang an dazu: „Als wir hier einzogen, war Eppendorf noch ein verschlafenes Nest.“ Mittlerweile ist das Jugendstilhaus mit seinen Transparenten, Schaukästen und dem Dinosaurier im Garten nicht nur in Eppendorf, sondern stadtweit berühmt.

Es könnte so schön sein, wenn nicht nervige Räumungsverfahren in der Hayn-/Hegestraße ebenso Tradition hätten wie Straßenfeste mit Musik.

Zum 25. Geburtstag bekam die MieterInnengruppe, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der immer jeweils die im Haus lebenden Personen angehören, ihre neunte Kündigung seit Bestehen. „Der Tanz geht weiter“, verspricht ein Transparent an der Fassade. Daß die acht vorangegangenen Kündigungen erfolglos blieben, liegt an dem Vertrag, den die MieterInnengruppe vor 20 Jahren über Grundstück und Haus im Ganzen abschloß und der auch nur im Ganzen kündbar ist. Mietverhältnisse für einzelne Wohnungen gibt es nicht.

Anfang der 80er Jahre überstanden die BewohnerInnen so auch die heimliche Umwandlung des Hauses in Eigentumswohnungen. Der bestehende mieterfreundliche Vertrag blieb maßgeblich und trotzt seitdem diversen Kündigungsversuchen und Räumungsbegehren. Die jetzige Kündigung zum 31. März 1996 ist unterschrieben von den 16 Eigentümern, die nicht zur Bewohnergemeinschaft Hayn-/Hegestraße gehören.

Durch die gut funktionierende Selbstverwaltung haben es die BewohnerInnen über zwei Jahrzehnte geschafft, ihr Haus zu erhalten. Heute leben hier wie in einem Dorf 45 Erwachsene und 12 Kinder und Jugendliche zusammen. Zur „Silberhochzeit“ des Wohnprojekts gratuliert die taz, die sich schon auf die 50-Jahr-Feier freut.