Margarethe Schreinemakers: Sie war die Madonna des Unterhaltungsfernsehens – bis sie über ihre eigenen Machtphantasien strauchelte. Ein Porträt von Klaudia Brunst

Sie inszenierte sich als Anwältin der kleinen Leute und verdiente damit Millionen. Auf dem Zenit ihres Erfolges war Margarethe Schreinemakers so mächtig, daß ihr gar ein bezahlter Babyurlaub gewährt wurde. Jetzt soll „Schreinemakers-TV“ ausgemustert werden. Die Aufsteigerin hatte ihre zwei wichtigsten Trümpfe verloren: ihre Bodenständigkeit und ihr Publikum.

Gekippt wie die A-Klasse

Sie ist mit sich und der Welt per du. „Wenn du nicht gelernt hast zu widersprechen“, erklärt sie dir die Regeln der Branche, „bist du draußen.“ Damit meint Margarethe Schreinemakers, daß Margarethe Schreinemakers gelernt hat zu widersprechen. Im letzten Sommer widersprach sie einmal zu oft. Diesmal dem eigenen Programmdirektor. Und war plötzlich draußen. Am 22. August 96 schaltete Fred Kogel die laufende „Schreinemakers“-Folge ab, als sich die Moderatorin gegen sein Geheiß anschickte, in der Sendung die eigene Steueraffäre zu thematisieren. Ein einmaliger Vorfall in der TV-Geschichte, der viel Presse brachte. Keine gute. „Damals bekam ich ein Kind, das macht dich sowieso krawallig“, weiß sie heute. „Wenn du nicht gelernt hast, Tiefschläge wegzustecken...“ Vergiß es.

Im Moment ist Margarethe Schreinemakers mal wieder ganz tief unten. Mit der Einschaltquote, an die sie glaubt wie an den lieben Gott. Mit ihrem Arbeiterkindimage, an das sie mal so glaubte wie an die Einschaltquote. Und mit ihrem Instinkt für mediale Inszenierungen, der sie vor gut fünf Jahren in den TV-Olymp schoß.

Nächsten Donnerstag wird „Schreinemakers-TV“ bei RTL letztmals auf Sendung gehen. Gerangel gibt es nur noch um vertragliche Finessen und saftige Konventionalstrafen. Eine Ära ist zu Ende, und ein Vertrag läuft aus. So einfach ist das. Es gab Zeiten, da holte Margarethe Schreinemakers sieben Millionen Zuschauer vor die Geräte. Mitte der Neunziger war ihre Mischung aus Voyeurismus und Gefühl, Verbraucherinformation und Gagshow mehrheitsfähiger als der Bundeskanzler. In dieser Zeit war jeden Donnerstag für die gläubige Katholikin Himmelfahrtstag. Die Konkurrenz gab sich geschlagen und sendete frustriert Wiederholungen.

Margarethe Schreinemakers hat für ihren Erfolg immer hart arbeiten müssen. Schon während ihres Studiums bastelt die Krefelderin an ihrer Medienkarriere, jobbt beim Evangelischen Pressedienst, verdingt sich beim WDR-Landesstudio in Dortmund. Die ARD entdeckt sie erst für ihre Dritten, aber nach einem Achtungserfolg mit „Extratour“ bei Radio Bremen darf sie sich sogar im Ersten versuchen.

Aber sowohl das Ratespiel „Wortschätzchen“ als auch die Show „Chiquita“ scheitern. Margarethe Schreinemakers heult ein paar Tage und Nächte durch, gibt aber nicht auf. Sie tingelt weiter durch die ARD, bis ihr Sat.1 1992 mit „Schreinemakers live“ eine letzte Chance gibt: „Ich wußte, wenn diese Sendung nicht läuft, sage ich danach höchstens die Lottozahlen im Regionalprogramm an.“

Motor ihres Ehrgeizes ist eine frühe soziale Kränkung. So will es die Legende. Ausgerechnet eine zur Armut verpflichtete Nonne soll der Klosterschülerin gesagt haben: „Für ein Arbeiterkind bist du recht gut angezogen.“ Da schwor sich die Tochter eines Drehers: „Jetzt zeig' ich dir, was ein Arbeiterkind so drauf hat...“

Sie hat es allen gezeigt und ist doch geblieben, was sie war: Für ein Arbeiterkind recht gut angezogen. Die brillantenbesetzte Rolex gehört heute zu Margarethe Schreinemakers' Image genauso wie ihre Leidenschaft für heimische Quelle-Versandhausorgien. Man kann sich gut vorstellen, wie sie ihre großen Auftritte in teuren Parfümerien genießt, wie sie der Bunten erzählte: „Unlängst habe ich mir für 560 Mark eine Creme gekauft, die auch Hannelore Kohl benutzen soll.“

Alles an ihr wirkt ein bißchen überdimensioniert. Das heimische Ehebett mißt 2,80 Meter, ihr letzter Frustkauf war ein Panzerkettchen von 7.000 Mark. Nachher ging es ihr besser. Sagt sie.

Die Selbstinszenierung von Margarethe Schreinemakers folgt der unkorrigierten Selbstwahrnehmung ihrer Erfinderin und vereinigt alles, was zum Idealbild einer modernen Frau gehört: Sie ist beruflich ehrgeizig und privat treusorgend. Sie ist hart im Nehmen und gleichzeitig doch mitfühlend genug, um am Schicksal anderer Anteil zu nehmen. Sie hat sich als Vollprofi Respekt verschafft, mit fotografischem Gedächtnis und männlichen Steherqualitäten, und verlagerte ihr Büro alsbald ins heimische Landhaus, um sich besser um die Kinder kümmern zu können.

Sie liebt ihren Mann, ihre Mutter, ihre Kinder. Keine Prominente vereinigte Mutterschaft und Beruf so vorbildhaft wie Margarethe Schreinemakers. Noch hochschwanger moderierte sie ihre Sendung und war die erste TV-Spitzenfrau, die einen bezahlten Babyurlaub durchsetzen konnte. Trotzdem wurde aus ihr keine rechte Frauenheldin. Zu profan war der Erfolg, zu viel kleinbürgerliches Glücksstreben lag ihrem Tun zugrunde.

Sie hatte es allen zeigen wollen und hatte es allen gezeigt. Vor allem jenen, die meinten, mit dieser gequetschten Frauenstimme könne man im Fernsehen keine Karriere machen. Bis Margarethe Schreinemakers etwas tat, das Männern völlig selbstverständlich ist, Frauen aber offensichtlich verboten: Sie versuchte, so viel Gage wie möglich vor dem Fiskus zu retten – und trotzdem weiter in ihrer Sendung für arme Leute zu kämpfen.

Viele männliche Kollegen vor ihr und nach ihr hatten schon Skandale, die das Image ihrer Fernsehpersönlichkeit deutlich konterkarierten: Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert unterhielt dubiose Nebengeschäfte, „Bitte melde dich“-Helfer Jörg Wontorra vergaß, 200.000 Mark bei der Steuer anzugeben. Stern-TV-Star Günther Jauch leitete eine Redaktion, ohne die Sendebeiträge abzunehmen. Sie alle haben ihre Affären unbeschadet überstanden.

Margarethe Schreinemakers kippte wie die A-Klasse von Mercedes. Völlig unerwartet und unter den Augen der feixenden Öffentlichkeit. Ein irreparabler Schaden. Wie bei dem ehrgeizigen Projekt aus Sindelfingen ist auch im Fall Schreinemakers nicht der Konstruktionsfehler das Problem, sondern die mediale Breitenwirkung der Affäre. Hochmut kommt vor dem Fall. Schusterin, bleib bei deinem Leisten. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Der Volksmund hält viele Sprichwörter bereit, um die einfachen Regeln seiner harten Moral zu umkleiden. Tatsache ist, daß Margarethe Schreinemakers mit ihrer Sendung den Zenit des Erfolgs schon im letzten Sommer überschritten hatte. Die Einschaltkurve fiel bereits vor der Steueraffäre – und sie wäre auch bei Sat.1 weiter gefallen. Wahr ist auch, daß ihr in diesem heißen Sommer weniger die Steueraffäre schadete als eher eine gigantische Medienkampagne, die unversehens in eine Generalkritik an ihrer Person, ihrer Arbeit und ihrer Moral ausuferte – und in der Margarethe Schreinemakers so lange mit ihrer eigenen Medieninszenierung konfrontiert wurde, bis Wahrheit und Lüge nicht mehr auseinanderzuhalten waren.

Die Schreinemakers-Firma reagierte mit Gegendarstellungen und Verleumdungsklagen. Die Heldin reagierte mit verstörtem Unglauben. Sie, die doch selbst aus kleinen Verhältnissen kam und nun für die kleinen Leute großes Fernsehen machte: Die sollte sich mit ihrem Publikum verschätzt haben? Sie, die nie an Kritik, sondern an die Quote geglaubt hatte, sollte ihre Zuschauer verlieren?

Es dauerte lange, bis Margarethe Schreinemakers begriff, daß ihre bewährten Muster nicht mehr funktionierten; daß ihr das offene Wort niemand mehr abnahm; daß ihr partout keiner glauben wollte, Finanzminister Theo Waigel habe sie nur aus Rache auf dem Kieker; daß die Zeiten einfach vorbei waren, in denen sie ungestraft phantasieren konnte, als Bundeskanzlerin mehrheitsfähig zu sein.

Nun war also klar, daß doch nicht alles auf einmal geht: Beruf, Familie, Erfolg, Bescheidenheit, Mitleid und Ich-Stärke. Die Erkenntnis, sich nicht mehr auf ihren Instinkt verlassen zu können, machte Margarethe Schreinemakers zuletzt immer unsicherer: „Ich bringe das jetzt zu Ende“, erklärte die Kämpferin zum Schluß nur noch matt. Und selbst das wird sie nächsten Donnerstag hinter sich gebracht haben.s