Heile Welt auf Abruf

■ Aufgesetzte Gemütlichkeit, Lebkuchen im Herbst und Geschenketerror – drei Weihnachtsmuffel erzählen

„Ich finde vor allem diesen Geschenketerror fürchterlich. Wenn ich jemandem etwas schenken will, mach ich das das ganze Jahr über, aber doch nicht gebündelt an einem Tag. Spätestens ab dem zehnten Geschenk gerät das immer zum absoluten Fiasko. Und dann diese blöden Weihnachtsmärkte und die Leute mit ihrer gewollten Vorweihnachts-Zufriedenheit. Für mich bedeutet Weihnachten nur die bürgerliche Verpflichtung, die Normen von Gemütlichkeit, Geschenken und Braten-Essen einzuhalten. Wenn das dann nicht klappt, wird's halt ein Scheiß Weihnachten. Ich habe nichts gegen eine nette Feier, und wenn mich jemand für den 24. zum Essen einlädt, gehe ich auch hin. Überhaupt ist die Fresserei das einzig Positive. Aber ansonsten ist Weihnachten doch vor allem ein Fest für Kinder.“

„An mir geht der ganze Weihnachtsrummel vorbei. Wirklich nervig finde ich nur, daß schon im Herbst die Supermärkte voller Stollen und Lebkuchen sind. In der Stadt bin ich selten und die offiziellen Weihnachtsfeiern lasse ich über mich ergehen. In diesem Jahr habe ich mich einmal sogar sehr gut amüsiert. Weihnachten selbst sagt mir nichts. Mir ist das alles zu kommerziell geworden. Als Kind habe ich mich zu Weihnachten noch über ein Buch und einen neuen Pullover gefreut. Damit kann man heute keinem Kind mehr kommen. Ich werde wohl am 24. etwas Schönes essen, aber ohne Geschenke. Einen Baum könnte ich bei meinen vielen Katzen sowieso nicht aufstellen, der wäre im Nu geplündert. Aber man sollte das mit dem „Nicht-Feiern“auch nicht so verbissen sehen. Sonst sind das zwei Seiten derselben Medaille.“

„Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal Weihnachten gefeiert habe. Das alles ist doch die reine Illusion, diese ganze heile Familie. Die gibt es doch nicht mehr, aber zu Heiligabend kommt sie dann doch immer wieder zusammen, und es wird superkrampfig. Ich bekomme von Weihnachten regelmäßig Depressionen. Zwar habe ich schon versucht, anders zu feiern, aber das war jedesmal der absolute Reinfall. Vor zwei Jahren zum Beispiel war ich mit Freunden in Dänemark. Das hat mich so genervt, daß ich am 24. nach Hause gefahren bin. In Flensburg ist mir dann auch noch das Auto verendet. Also, danach hab' ich erst mal zwei Tage im Bett verbracht. Ich will ab dem 23. gar keinen mehr sehen, mir wäre am liebsten, Weihnachten wird abgeschafft. Zu Silvester bin ich dann wieder gut drauf.“

Befragtvon Heike Dierbach