Leben in der Thermoskanne

Hügellandschaft mit integriertem Wohnraum: In Tornesch soll eine Siedlung aus energiesparenden Erdhügelhäusern entstehen  ■ Von Achim Fischer

Eine weich geschwungene Hügellandschaft könnte demnächst in Tornesch bei Hamburg entstehen – mit integriertem Wohnraum für bis zu zehn Familien. Private Interessenten planen, dort sogenannte Erdhügelhäuser zu bauen. Die Konstruktionen haben zwei große Umwelt-Vorteile: Sie versiegeln keine Erdoberfläche, und sie benötigen extrem wenig Heizenergie.

Erdhügelhäuser haben, vergleichbar einem Flugzeughangar, ein halbrundes Dach, ein sogenanntes Tonnengewölbe. Es wird mit einer mindestens 30 Zentimeter starken Erdschicht bedeckt und mit Gras bepflanzt. Nur die verglasten Frontseiten bleiben frei. Da die Gebäude keine Seitenfenster haben, sind die „Hangars“relativ breit und kurz angelegt, um Dunkelkammern in der Mitte des Hauses zu vermeiden. Jedes Zimmer grenzt an eine Frontseite. Durch die großen Fenster und das gewölbte Dach sind die Räume sogar heller als in konventionellen Bauten.

Damit die Erdschicht auf dem faßartigen Gewölbe hält, muß der Hügel flach angeschüttet werden. Ein alleinstehendes Haus braucht deshalb viel Platz, mindestens 350 Quadratmeter für zwei Stockwerke mit einer Wohnfläche von insgesamt 120 Quadratmetern. Sehr viel platzsparender sind Reihenhäuser. Der künstliche Hügel muß nicht jedesmal bis zum Erdboden hinabgezogen werden. Statt dessen entsteht eine kleine Hügellandschaft.

Diesen Plan verfolgen mehrere Familien für ein Neubaugelände in Tornesch. Die Stadt vergibt dort 8000 Quadratmeter innerhalb eines Siedlungsprojekts an ökologische Bauprojekte. Bislang wollen sich sechs Familien um einen Teil der Flächen für eine kleine Erdhügelsiedlung bemühen; auf maximal zehn Parteien möchte sich die Interessentengemeinschaft noch erweitern. Vorbild ist Deutschlands erste und bislang einzige Hügelsiedlung im schwäbischen Donaueschingen. Neun Familien haben dort gebaut – gefördert vom Land Baden-Württemberg und wissenschaftlich begleitet von der Technischen Hochschule in Stuttgart. Ergebnis nach der ersten Heizperiode 1994/95: Die Wohnfässer sind selbst unter Niedrigenergiehäusern das Sparsamste, was es derzeit gibt. 450 Mark zahlte eine fünfköpfige Familie für Heizung und Warmwasser – pro Jahr. In normalen Häusern ist das allenfalls mit einer Ein-Zimmer-Wohnung zu schaffen.

Die Häuser sind damit noch sparsamer als erwartet. Sie verbrauchen umgerechnet 3,5 Liter Öl pro Jahr und Quadratmeter, die Planer hatten mit sechs Litern gerechnet. Zum Vergleich: Die Wärmeschutzverordnung schreibt für Neubauten rund neun Liter vor. Ältere Häuser brauchen in der Regel sogar bis zu zwanzig Litern. „Das dicke Erdpolster auf dem Dach macht das Haus zu einer Thermoskanne“, erklärt der Architekt Jürgen Carstens. Im Sommer bleibt es angenehm kühl, im Winter müssen die Bewohner nicht gegen kalte Außenwände anheizen. Weitere Einsparmöglichkeiten bestehen wie bei jeder Öko-Siedlung in zentralen Heizanlagen, Solarkollektoren oder dicken Isolierschichten.

Die Materialien sind baubiologisch unbedenklich: Glas, Holz, Kokosfasern, die Isolierschicht besteht aus Papierflocken, Bodenbeläge sind aus Kork. Die Konstruktion wird durch halbrunde Holzböden getragen. Stützpfeiler sind innerhalb des Tonnengewölbes nicht nötig. Das Haus kann über zwei Stockwerken ausgebaut werden, mit oder ohne Zwischendecke. Tragende Wände gibt es nicht: „Man kann die Wände jederzeit umsetzen“, versichert Carstens, je nach Geschmack und Anzahl der Bewohner.

Wer möchte, kann seine Dachwiese auch als Mini-Acker nutzen. Tiefwurzelnde Pflanzen kommen nicht in Frage. Dafür aber zum Beispiel Tomaten, Gewürze oder – im sonnenverwöhnten Donaueschingen wohl eher als in Tornesch – Reben. Begehen kann man die Dächer auf jeden Fall. „Man muß es sogar“, lacht Carstens. Denn mindestens zweimal im Jahr sollte man die Wiese über seinem Wohnzimmer mähen.

Informationen gibt's bei Danner, Nanns & Co. GmbH, die, als „Planungs- und Ausführungsbüro für Niedrigenergiehäuser in ökologischer Bauweise“, sich in Norddeutschland um Vertrieb und Ausführung der Erdhügelhäuser kümmern. Adresse: In der Masch 1, 22453 Hamburg, % 040/55 77 35 58, Fax: 55 77 35 59; e-mail: danner-nanns§hamburg.de; internet: www.hamburg.de/Firmen/Danner-Nanns