Mitte regiert, Rechte gewinnt in Chile

Bei Parlamentswahlen erzielt die Mitte-links-Koalition eine knappe Mehrheit, die Rechte wird gestärkt. Eine Änderung der Verfassung, die den Einfluß des Exdiktators Augusto Pinochet sichert, ist wieder nicht möglich  ■ Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz) – Die extreme Rechte ist als eigentliche Siegerin aus den chilenischen Parlamentswahlen vom Donnerstag hervorgegangen. Die rechtsgerichtete Allianz, Union für Chile, konnte 36,71 Prozent der Stimmen erringen, 8,29 Prozent mehr als bei den vergangenen Wahlen im Jahr 1996. Zwar hat die Regierungskoalition aus Christdemokraten und Sozialisten mit noch 50,58 Prozent der Stimmen ihre Mehrheit halten können, allerdings mußte die von Präsident Eduardo Frei geführte Regierung im Vergleich zu 1996 mehr als vier Prozent Verluste hinnehmen.

Außer 120 neuen Parlamentsabgeordneten galt es am Donnerstag auch, 20 Senatorenposten neu zu besetzen. Im Senat haben die Anhänger von Exdiktator Augusto Pinochet eine Sperrminorität.

Die Regierung hatte gehofft, der extremen Rechten einen Dämpfer verpassen und mit einer neuen Zweidrittelmehrheit endlich die von Pinochet gegen Ende seiner Amtszeit eingesetzte Verfassung ändern zu können. Dieses Vorhaben scheiterte, da die Pinochet-Anhänger zwar im Parlament in der Minderheit sind, im Senat allerdings, dank ihres guten Wahlergebnisses, kein Gesetz gegen sie verabschiedet werden kann.

Die Pinochet-Verfassung sieht vor, daß ein Teil der Senatoren nicht gewählt, sondern vom nationalen Sicherheitsrat und Obersten Gerichtshof ernannt wird. In beiden Einrichtungen tummeln sich Gefolgsleute Pinochets. Außerdem sieht die Verfassung für jeden Staatschef, der länger als sechs Jahre lang im Amt war, das Recht auf einen unbefristeten Sitz im Senat vor. Pinochet selbst, inzwischen 82 Jahre alt, will im März seinen Senatorenposten auf Lebenszeit antreten, wenn er als Armeechef abdankt.

Die extreme Rechte hingegen beharrt auf diesen sogenannten „institutionellen Senatoren“. Carlos Bombal, Abgeordneter der Pinochet-nahen Renovación Nacional (RN), sagte der argentinischen Tageszeitung Clarin: „Die institutionellen Senatoren bringen Gleichgewicht in einen Senat, der gemischt sein muß.“ Allerdings gibt es in der RN auch moderatere Strömungen, die für eine Verfassungsänderung sind. Im Mai ordnete die Führung der Renovación Nacional sogar an, der Verfassungsänderung zuzustimmen. Allerdings boykottierte ein Teil der Partei die Order und verhinderte gemeinsam mit der rechtsautoritären Union Democratica Independiente (UDI) die Abschaffung der Regelung.

In zwei Jahren sind in Chile Präsidentschaftswahlen, und die mitregierenden Sozialisten hatten gehofft, bei einem guten Ergebnis 1999 den Präsidentschaftskandidaten der Koalition stellen zu können. Doch mit gut zehn Prozent und fast drei Prozent weniger Stimmen als 1996 dürften sich dieser Plan als schwierig erweisen.

Das von den Kommunisten angeführte Linksbündnis konnte hingegen seinen Stimmenanteil um 1,48 auf 6,47 Prozent leicht erhöhen.

Schon am Wahlnachmittag, als das Ergebnis noch nicht bekannt war, war Pinochet zum Scherzen aufgelegt. Beim Verlassen des Wahllokals gab er an, er hätte sein Kreuz bei der Kandidatin der Kommunistischen Partei Chiles (PC), Gladys Marin, gemacht. Die Frau gab zurück, daß Pinochet „anstatt zu witzeln lieber sagen soll, wo die Verschwundenen sind“. Unter Pinochets Militärdiktatur wurden zwischen 1973 und 1990 mindestens 3.000 Menschen umgebracht. Der Jahrestag des Putsches, der 11. September, wird in Chile bis heute als „Tag des Vaterlandes“ begangen – und fast die gesamte chilenische Rechte ist sich einig, daß der Putsch gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende das Land vor dem Kommunismus bewahrt hat. Und das neoliberale Wirtschaftsmodell, das in Zeiten der Generäle eingeführt wurde, gilt heute in ganz Lateinamerika den Regierungen als Vorbild.

Die Kommunistin Gladys Marin ist eine von Pinochets härtesten Gegnerinnen. Am Ende erhielt sie in ihrem Wahlkreis gerade einmal elf Stimmen.