Castor-Behälter dürfen nicht bemalt werden

■ Berufungsgericht bestätigte die Urteile gegen acht Atomkraftgegner der Mahnwache Gundremmingen. Sie hatten gewaltlos gegen den Mülltransport nach Sellafield protestiert

Memmingen (taz) – Die Berufungen gegen mehrere erstinstanzliche Urteile gegen acht Mitglieder der „Mahnwache Gundremmingen“ wurden gestern vom Landgericht Memmingen verworfen. Vier der sieben Angeklagten wurden zu Bewährungsstrafen von drei Monaten und einer Woche bis zu sechs Monaten verurteilt. Die restlichen Angeklagten müssen eine Geldstrafe entrichten.

Angeklagt waren die AtomkraftgegnerInnen wegen Sachbeschädigung, der Störung öffentlicher Betriebe und der Zerstörung von Bauwerken. Die größte der verhandelten Aktionen lief im Herbst 1993. Damals war die Atomschleuder Thorp im britischen Sellafield noch nicht genehmigt. Nach Protesten der Nordseeanrainer-Staaten sah es so aus, als würde die Plutoniumfabrik auch niemals genehmigt. Gleichwohl gingen vom größten deutschen Atomkraftwerk Gundremmingen aus immer wieder Transporte mit abgebrannten Brennelementen ins britische Sellafield. Es gab eine spektakuläre Greenpeace-Aktion, bei der sich ein Mitglied der Umweltschutzaktion in einen Container schweißen ließ, der auf das Nebengleis zum Atomkraftwerk gekippt wurde. Und es kam zu zahlreichen friedlichen Protestaktionen von Mitgliedern der Mahnwache. Unter anderem wurde ein Castor-Behälter bemalt, es wurden Schottersteine vom Privatgleis des AKW weggeräumt und rund 30 Meter Schienen abgebaut.

„Das waren alles angekündigte Aktionen, mit denen wir niemanden gefährdet haben“, erklärt einer der Angeklagten, der Biobauer Konni Link. Auch der Fahrradkurier Volker Nick betont, es habe sich in keinem Fall um irgendeinen militanten Anschlag oder ähnliches gehandelt. Bestätigt in ihrer These von der Gefährlichkeit der Atomtransporte und der Wiederaufbereitung in Sellafield wurden die acht Angeklagten von Christian Küppers vom Öko- Institut Darmstadt, den das Gericht als Sachverständigen geladen hatte. Die Irische See, so Küppers, sei das am meisten radioaktiv verschmutzte Meer der Welt. Alljährlich würden unvertretbar hohe Mengen Plutonium eingeleitet. Die Meeresfrüchte in der Irischen See seien bis zu 30.000mal höher belastet als in anderen Meeresabschnitten. Nicht einmal die russische Barentssee ist ähnlich stark radioaktiv verseucht. „Wenn dann ein deutsches Atomkraftwerk den Atommüll dorthin karren läßt, dann handeln diese Leute nicht nur unmoralisch, sondern im höchsten Maße verantwortungslos“, meint die mitangeklagte Hebamme Sigrid Birrenbach.

„Sie haben in diesem Verfahren ein Gericht angetroffen, das sein Gewissen zu Ihren Gunsten in übermäßiger Weise strapaziert hat“, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Worm in seiner Urteilsbegründung. Dennoch hätten die Berufungen verworfen werden müssen. „Das Gericht geht durchaus davon aus, daß die WAA Sellafield nicht den Normen entspricht, die nach deutschem Atomrecht für die in Deutschland stattfindende Entsorgung verpflichtend sind“, meinte Richter Worm. Sie würden aber den Mindeststandards europäischer Vereinbarungen entsprechen. „Wenn wir Sie freigesprochen hätten“, fügte der Vorsitzende an, „dann hätten Sie umgehend nach Gundremmingen fahren und das AKW abschalten können.“ Klaus Wittmann