Deutsche Fröhlichkeit

■ Guildo Horn & Strümpfe im Modernes

Ein Tisch mit weißer Decke wird hineingerollt, darauf stehen in zwei Reihen Glocken. Ordentlich nach Größe, Klanghöhe und -tiefe aufgereiht. Ein besonderes Lied will Guildo Horn jetzt anstimmen und erwähnt noch, er denke dabei an seinen Freund Wolfgang. Dann legt er los mit dem Gebimmel und schon nach wenigen Glockenschlägen grölt das Publikum mit: „Verdammt lang her, verdammt lang...“. Der „Meister“des Schlager muß nicht selber singen, der Text von BAP ist hinlänglich bekannt.

Ein Heimatabend im vollen „Modernes“: eine Stimmung wie beim Kölner Karneval. Vorne steht im Rüschenhemd Guildo Horn, gebürtiger Trierer. Er führt durch seine Schlagerparade, entertaint und animiert. Professionell, als habe er Jahre in Bottrop bei einer Kleinkunst-Bühne verbracht. Seine Band „Die orthopädischen Strümpfe“stellt er mehrmals am Abend vor: die Musiker stammen aus Südtirol, Elsaß-Lothringen, Saarland und Pommern. Das Deutsche Reich und seine verlorenen Gebiete. Pünktlich wie eine Kurkapelle fängt das Konzert an. Und bald sind alle so solidarisch vereint, als spiele vorne eine Oberschulen-Combo mit Blauhemd zu DDR-Zeiten in einem ausverkauften Kulturhaus. Nach Aufforderung heben wir den linken Arm gestreckt zum Guildo-Gruß, der vorne mit den Fingern ein zartes „G“formt. Zwischen Mallorca und Massenpsychose.

Unsäglich deutsch: Das macht Spaß. Zumindest so lange das Konzert läuft und der Zuschauerraum dunkel ist. Auf einer Empore tanzt ein junger Mann auf dem Tisch, verliert beim Refrain „Ich find Schlager toll!“das Gleichgewicht und kracht in die Stühle. Kein Problem, Betrunkene bleiben heil. Guildo Horn arbeitet sich - mit beachtlichem Stimmvolumen - auf der Bühne ab. Eigenkompositionen, englische Hits mit Horns neuem deutschen Text unterlegt oder bekannte Schlager. „17 Jahr, blondes Haar“, „Dschinghis Khan“und „Aber bitte mit Sahne“dürfen nicht fehlen. Sah Horn in der ersten Stunde des Konzertes mit nacktem Oberkörper noch aus wie ein abgespeckter Meat-Loaf, ähnelt er am Ende umrahmt vom schweißnassen, dünnen, langen Haar Gagamel, dem bösen Zauberer aus dem Reich der Schlümpfe. Wir danken ihm die körperliche Mühe und bestätigen kollektiv nach Aufforderung, er sei ein sexy Mann. Stimmt aber nicht.

Nach gut zwei Stunden ist Ende. Das Licht geht an, die Leute verlassen schnell und geduckt die Halle. Einzelne halten sich noch an ihrem Bier fest: Soll es etwa schon vorbei sein? Eine Gruppe stimmt das Lied von Biene Maja an. Richtig, das hat gefehlt. Der rechte Schwung will nicht aufkommen. Schließlich trägt auch niemand mehr an Aschermittwoch eine Pappnase. So ist das mit der deutschen Fröhlichkeit. Nach einer Viertelstunde beginnen die Security-Leute mit dem Rausschmiß. Das Leben geht weiter und viele Mitstreiter wirken im Hellen nicht mehr besonders sympatisch. Zu viele Goldketten. susa