■ Vorschlag
: Ein Fall für Massenhysterie: Der Pianist Markus Groh im Konzerthaus

Daß Heinrich Heine eine Vorliebe für pianistisches Virtuosentum gehabt habe, läßt sich schwerlich behaupten: „Unnützer Schall“ sei das, der „ins Gebiet der Taschenspielereien“ und „verschluckten Schwerter“ gehöre. Was ihn allerdings nicht davon abhielt, die Sonntage im Pariser Conservatoire zu verbringen, wo legendäre Pianistenrivalitäten, insbesondere zwischen Thalberg und Liszt öffentlich ausgetragen wurden.

In der Tat war bei dieser Art Wettstreit weniger musikalischer Tiefgang gefragt, als tastensportliche Akrobatik, Improvisationsvermögen und Show-Biz-Qualität, was seine Wirkung auf das Publikum denn auch nicht verfehlte: Laut Alfred de Musset stellten diese Darbietungen beim adeligen Publikum selbst die Hysterie anläßlich der Hinrichtung Marie Antoinettes noch weit in den Schatten. Kein Wunder also, daß heutzutage jeder Pianist, der sich nicht eigenhändig als „unseriös“ disqualifizieren möchte, lieber die Finger von Teufelszeug wie „Fantasie über Pacinis Oper Niobe“ läßt...

Wesentlich unspektakulärer, aber dennoch sensationell endete 1995 in Brüssel der nur alle vier Jahre stattfindende „Königin-Elisabeth-Wettbewerb“. Denn dort heimste der damalige HdK-Student Markus Groh unter hartgesottener Konkurrenz den 1. Preis ein – doch obwohl dies in der Klavier-Branche von ähnlicher Bedeutung ist, wie etwa ein „Oscar“ im Film-Business, war die Reaktion hierzulande, und in Berlin insbesondere, geradezu schändlich unhysterisch. Groh, der erst in letzter Zeit wieder häufiger in Berlin auftritt, spielt nun trotzdem (oder gerade deswegen?) heute im Rahmen des Heine-Zyklus Stücke, die typisch für das Pariser Conservatoire waren.

Daß Groh nun aber als „oberflächlich“ abgestraft werden wird, ist dennoch unwahrscheinlich. Zwar ist sein Mammutprogramm, das neben einer Opern-Fantasie u.a. auch Liszts sechs Paganini-Etüden enthält, eine wahre Tour-de-force für Finger, Nerven, Kraft und Konzentration. Die übliche Pianisten-Crux wird für ihn wohl dennoch kaum ein Stolperstein sein: die nötigen Reserven aufzubringen, um zu zeigen, daß sich hinter viel „Technicolor“ im ein oder anderen Fall tatsächlich auch eine „idée poétique“ befindet. Und diese Facette hat bei Darbietungen von Stücken wie den Schubert-Lied- Bearbeitungen Liszts, durchaus Seltenheitswert. Annette Lamberty

Markus Groh, Klavier, spielt Liszt, Chopin, Thalberg, Kalkbrenner. Heute, 19.30 Uhr, Konzerhaus am Gendarmenmarkt, Kleiner Saal